Der Generalbundesanwalt, der Justizminister und die Reaktionen

Gerhard Frassa  / pixelio.de

Gerhard Frassa / pixelio.de

Zu den Vorgängen um die Ermittlungen gegen Journalisten von netzpolitik.org wollte ich nichts weiter schreiben. Ich glaubte mit meinen Ausführungen von letzter Woche alles gesagt zu haben.

Ich habe mich getäuscht. Ich bin schockiert mit welchen Reaktionen die Entlassung des Generalbundesanwaltes begleitet wurde. Was hat dieser Justizminister angerichtet, dass bis in höchste juristische Kreise der Zorn sich derart Bahn brach?

Nicht dass ich ein Freund von Herrn Maas bin. Wer diesen Blog begleitet weiß, dass ich ihn schon im März dieses Jahres einen Feind der Freiheit genannt habe. Im April habe ich seine Entscheidung zu Gunsten der Vorratsdatenspeicherung seziert. Diese hatte er getroffen gegen seine eigene frühere Überzeugung. Eine frühere Justizministerin, die dazu gezwungen werden sollte war für ihre Überzeugung zurückgetreten.

Reaktionen

Der Verein der Richter und Bundesanwälte beim Bundesgerichtshof gab eine Pressemitteilung heraus. Leider finde ich keine Webseite des Vereins, so dass ich mir deren Inhalt aus Medienveröffentlichungen zusammengesucht habe.

Danach betrachtet der Verein diese „politische Einflussnahme auf das laufende Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts wegen öffentlicher Bekanntgabe von Staatsgeheimnissen mit großer Sorge“. Das Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats habe den Vorgaben des Gesetzes entsprochen.

Aufgrund der bisher vorliegenden Informationen gebe es „Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Behinderung der Ermittlungen des Generalbundesanwalts“. Es sei der Eindruck entstanden, „dass in die laufenden prozessordnungsgemäßen Ermittlungen eingegriffen wurde, um ein bestimmtes – politisch gewolltes – Ergebnis zu erreichen, und zwar durch eine gezielte Steuerung der Beweisaufnahme“.

Derartige Eingriffe bewirkten „- möglicherweise gewollt -, dass klärungsbedürftige Fragen, die immerhin die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betreffen, von der Rechtsprechung ferngehalten und damit den unabhängigen Gerichten entzogen werden. Dadurch wird nicht nur das Amt des Generalbundesanwalts, sondern auch der Rechtsstaat beschädigt“.

„Erfolgt eine Weisung rechtswidrig und zu dem Zweck, eine Bestrafung zu vereiteln, so macht sich der Anweisende wegen Strafvereitelung im Amt strafbar.“

Der Fall gebe weiter Anlass „kritisch über das politische Weisungsrecht gegenüber der Staatsanwaltschaft nachzudenken.“ Die Richter begründen dies mit der Stellung sowie der originären Aufgabe der Behörde der Staatsanwaltschaft innerhalb der Verwaltungsstruktur des Landes und weisen nachdrücklich auf die Trennung von Legislative und Exekutive in einem Rechtsstaat hin. Die Staatsanwaltschaft sei den Gerichten zugeordnet, §§ 141, 144 GVG (Gerichtsverfassungsgesetz), und damit selbst ein Teil der Justiz. Sie nehme als Institution eigener Art keine typische Behördenfunkton wahr, sondern gehöre zum Funktionsbereich der Rechtsprechung. Sie erfülle durch ihre vorbereitende Tätigkeit gemeinsam mit den Gerichten die Aufgabe der Justizgewährung auf dem Gebiet der Strafrechtspflege. In einem gewaltenteiligen Rechtsstaat des Grundgesetzes habe die Staatsanwaltschaft folglich nicht den Status einer nachgeordneten Behörde des Justizministeriums.

Ähnlich äußerte sich der Deutsche Richterbund, in dem ca. 16.000 Richter und Staatsanwälte organisiert sind: „Bisher haben die Bundesjustizminister respektiert, dass ihre Weisungen einer sachgerechten Erfüllung der Aufgaben der Staatsanwaltschaft nicht entgegenstehen dürfen.“

Vorsitzender des Richterbundes ist Herr Oberstaatsanwalt Frank. Er hat dies in einem Interview wie folgt ergänzt: „Eine Weisung des Ministers sollte erst erfolgen, wenn die Ermittlungen sachgemäß geführt und abgeschlossen sind.“

Bewertung

Fällt Ihnen etwas auf? Richter und Staatsanwälte agieren gemeinsam, obwohl sie gesetzlich getrennt sind.

Beginnen wir mit den Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG), die oben zitiert wurden. Das GVG enthält einen eigenen Abschnitt, in welchem die Regeln über die Staatsanwaltschaft zusammengefasst sind. Dieser steht hinter den Abschnitten über die Gerichte. Schon dies macht klar, dass der Gesetzgeber hier keinen Verbund sah.

Danach wird zwar bei jedem Gericht eine Staatsanwaltschaft eingerichtet. Dies stellt aber lediglich eine räumliche Verbindung dar. Eine organisatorische gibt es nicht, auch nicht in den oben zitierten Verschriften des GVG. Ganz im Gegenteil lauten die §§ 150, 151 GVG wie folgt:

㤠150
Die Staatsanwaltschaft ist in ihren amtlichen Verrichtungen von den Gerichten unabhängig.

§ 151

Die Staatsanwälte dürfen richterliche Geschäfte nicht wahrnehmen. Auch darf ihnen eine Dienstaufsicht über die Richter nicht übertragen werden.“

Wie so oft erleichtert ein Blick in das Gesetz die Rechtsfindung.

Und die Forderung nach einer Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft findet zum einen keinerlei Grundlage im Grundgesetz (GG) und lässt zum anderen die historische Entwicklung, die zu dieser Gewaltenteilung innerhalb der Justiz führte, vollkommen außer Betracht.

Das Grundgesetz kennt nur eine Unabhängigkeit der Richter. Es findet sich dort nichts darüber, dass die Staatsanwaltschaft zur Dritten Gewalt im Staate gehören würde und genauso unabhängig wäre. Und es hat seinen Grund, dass hier eine Unterscheidung getroffen wird.

Die Einrichtung der Staatsanwaltschaft im 19. Jahrhundert sollte gerade die Macht der Richter eindämmen. Diese sollten das Initiativrecht für Ermittlungen und Anklage verlieren. Seinen Niederschlag fand dies auch in der Verfassung des Paulskirchenparlaments, die bestimmen sollte „In Strafsachen gilt der Anklageprozess“.

Bekanntlich kam die Verfassung nicht zustande. Aber eine eigene Anklagebehörde fand unabhängig davon Eingang in die Strafprozessordnungen der deutschen Teilstaaten und 1878 auch in die damalige Reichsstrafprozessordnung.

Diese Trennung diente damals und heute dem Bürger. Nie wieder sollten Gerichte Ankläger als auch Urteilsverkünder sein. Die Zeit der Inquisition wollte man auch formal hinter sich lassen.

Sollte sich der Deutsche Richterbund mit seiner Forderung nach gemeinsamen aufsichtsführenden Kollegien von Richtern und Staatsanwälten durchsetzen, wäre diese Trennung dahin.

Übersehen wird weiter, dass die Staatsanwaltschaft die Verantwortung für strafrechtliche Ermittlungen, auch gegenüber der Polizei, trägt. Sie untersteht dem Justizminister, die Polizei dem Innenminister.

Denken wir schließlich an diverse parlamentarische Untersuchungsausschüsse der vergangenen Jahre, z.B. NSU oder Mollath (Bayern). Hätte dies ein unabhängiges Kollegium aus Richtern und Staatsanwälte untersuchen sollen?

Nein, es scheint mir eher sinnvoll zu sein, in eine andere Richtung weiter zu denken.

Könnte es nicht sein, dass die Beziehung von Richtern und Staatsanwälten mehr von kollegialer Routine statt von rechtsstaatlicher Distanz geprägt ist? Ist es gut, dass beide in denselben Vereinen organisiert sind, obwohl sie sehr unterschiedliche Aufgaben haben?

Auch ist der Ton, in dem dem Minister eine Strafvereitelung mehr oder weniger unterstellt wird, unangemessen. Wenn, dann hätte die Vereine springen und eine Anzeige erstatten müssen. Dies haben sie anderen überlassen. Auch dies bringt mich zur Vermutung, dass hier nur ein politisches Mütchen abreagiert werden sollte.

Gerade bei Staatsschutzdelikten besteht gem. §§ 153 d Strafprozessordnung, 120 Abs. 1 GVG ein Opportunitätsprinzip. Danach kann von der Verfolgung abgesehen werden, wenn dem überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Auch hiermit setzen sich die Richtervereinigungen nicht auseinander. Es ist also nicht so, wie oft zu lesen war, dass der Generalbundesanwalt zu Ermittlungen nach dem Legalitätsprinzip gezwungen gewesen wäre. Ohnehin sollte es eine Binsenweisheit sein, dass die Verfolgung mehr oder weniger politischer Delikte, wie es der Landesverrat ist, auch einer politischen Verantwortlichkeit bedarf.

Eine weitere Überlegung wäre es wert sich mal die Erfahrungen mit unabhängigen Ermittlungsorganen in Frankreich, Rumänien, Spanien oder der Slowakei anzusehen.

Nein, in einem demokratischen Rechtsstaat muss beachtet werden, dass jede der drei Gewalten, die Freiheit bedrohen kann. Deshalb ist der Freiheit am besten gedient, wenn die Gewalten sich gegenseitig kontrollieren. Ich erinnere mich da an meinen Leistungskurs Politik vor gut 40 Jahren, in dem wir viel über Checks and Balances gelernt haben. Wenn ich mich richtig erinnere geht dies auf die griechische Antike zurück, wurde von Herrn Montesquieu wieder aufgenommen und ging in die Verfassung der USA ein.

Ja, Geschichtsvergessenheit und Machtstreben führt leider oft dazu zu verkennen weshalb bestimmte Regeln vorhanden sind und wozu diese gut sind. Man erkennt deren Wert leider oft erst, wenn sie weg sind.

Ach ja, sollte Herr Maas über diese Geschichte stürzen bin ich wohl der Letzte, der darüber traurig wäre.