Schöne neue Welt der Vorratsdatenspeicherung (19.04.2015)

Ein neuer Versuch unserer Regierung von SPD und CDU/CSU endlich die flächendeckende Überwachung der Bürger einzuführen. Zwar haben das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof den letzten Versuch für rechtswidrig erklärt. Es lagen klare Verstöße gegen das Grundgesetz und die Europäische Charta der Grundrechte vor.

Unser Justizminister, Herr Maas, hat deshalb auch oft erklärt, dass er gegen einen neuen Versuch sei. Auf Druck seines Parteivorsitzenden, Herrn Gabriel, hat er sich aber jetzt eines anderen besonnen. Wir erinnern uns in diesem Zusammenhang, dass eine frühere Justizministerin, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, zurücktrat als man sie hierzu zwingen wollte. Bei Herrn Maas ist der Eigennutz offensichtlich wichtiger als die eigene Überzeugung. Auf Twitter schrieb er am 15.12.2014:

„#VDS lehne ich entschieden ab – verstößt gg Recht auf Privatheit u Datenschutz. Kein deutsches Gesetz u keine EU-RL!“.“

Inhalt der Neuregelung

Es gibt bisher keinen Gesetzentwurf, sondern nur sog. Leitlinien, eine Pressekonferenz und Pressemitteilungen. Noch bemüht man sich die Überwachung als harmlos erscheinen zu lassen, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass viele dann den Gesetzentwurf nicht mehr genau ansehen werden.

Es fällt auf, dass der Justiminister ständig betont was alles angeblich nicht gespeichert wird. So seien Emails komplett ausgenommen, Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile dürften nicht erstellt werden. Ebenso wenig dürften Inhalte der Kommunikation gespeichert werden.

Die Speicherfrist sei eine Höchstspeicherfrist und auf zehn Wochen beschränkt. Unmittelbar danach müssten diese vom Provider gelöscht werden, anderenfalls dieser eine Geldbuße erhalte. Standortdaten dürften nur vier Wochen gespeichert werden. Die Provider müssten bei der Speicherung eine höchstmögliche Sicherheit der Daten gewährleisten und diese im Inland speichern.

Wenn Daten abgerufen werden, müssten die Betroffenen grundsätzlich vorher informiert werden. Der Abruf müsse immer von einem Richter genehmigt werden. Eine Eilkompetenz für die Ermittlungsbehörden werde es nicht geben.

Daten von Berufsgeheimnisträgern (Seelsorger, Rechtsanwälte, Ärzte, Apotheker, Beratungsstellen für Betäubungsmittelabhängigkeit und Schwangerschaftskonflikte, Abgeordnete, Presse) dürften nicht abgerufen werden.

Der Abruf der Daten soll nur bei schwersten Straftaten zulässig sein, die auch im Einzelfall schwer wiegen müssen. Den Leitlinien ist ein Katalog der Straftaten beigefügt.

Erste Stellungnahme

Eine endgültige und qualifizierte Bewertung kann man erst erstellen, wenn ein Gesetzentwurf vorliegt. Aber die vorgelegten Leitlinien geben zu großen Bedenken Anlass und dürften die Kriterien von Bundesverfassungsgericht und Europäischem Gerichtshof nicht erfüllen.

Gem. der Anlage 1 zu den Leitlinien werden folgende Verbindungsdaten (Metadaten) gespeichert:

Bei Telefondiensten

„1. die Rufnummer oder eine andere Kennung des anrufenden und des angerufenen
Anschlusses sowie bei Um- oder Weiterschaltungen jedes weiteren beteiligten
Anschlusses,

2. Datum und Uhrzeit unter Angabe der zugrunde liegenden Zeitzone von Beginn
und Ende der Verbindung,

3. Angaben zu dem genutzten Dienst, wenn im Rahmen des Telefondienstes unterschiedliche Dienste genutzt werden können,

4. im Fall mobiler Telefondienste ferner
a) die internationale Kennung für mobile Teilnehmer für den anrufenden und
den angerufenen Anschluss,
b) die internationale Kennung des anrufenden und des angerufenen Endgerätes,
c) die Bezeichnung der Funkzellen, die durch den anrufenden und den angerufenen Anschluss bei Beginn der Verbindung genutzt werden,
d) Datum und Uhrzeit der ersten Aktivierung des Dienstes sowie die Bezeichnung
der Funkzelle, wenn Dienste im Voraus bezahlt wurden,

5. im Fall von Internet-Telefondiensten auch die Internetprotokoll-Adressen des
anrufenden und des angerufenen Anschlusses und zugewiesene Benutzerkennungen.

Bei der Übermittlung einer Kurz-, Multimedia- oder ähnlichen Nachricht treten an
die Stelle der Angaben nach Satz 1 Nummer 2 die Zeitpunkte der Versendung und
des Empfangs der Nachricht.

Anbieter von öffentlich zugänglichen Internetzugangsdiensten

1. die dem Teilnehmer für eine Internetnutzung zugewiesene Internetprotokoll-Adresse,

2. eine eindeutige Kennung des Anschlusses, über den die Internetnutzung erfolgt,
sowie eine zugewiesene Benutzerkennung.“

So, so, Emails sind komplett ausgenommen? Was fällt denn unter „Kurz- Multimedia- oder ähnliche Nachricht“? Da wird es noch schöne Abgrenzungsprobleme geben.

Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile dürfen nicht erstellt werden? Weshalb werden bei mobilen Geräten dann die Funkzellen, in denen sich das Gerät aufhält gespeichert? Das BMJ schreibt dazu auf seiner Webseite:

„Funkzelle, in der sich das Mobiltelefon befindet – Zeitpunkt des Aufenthalts in der Funkzelle“

Somit wird nicht nur gespeichert, wenn man telefoniert, sondern ständig. Müsste man dies tun, wenn man nicht doch Bewegungsprofile erstellen wollte?

Die Betroffenen müssen grundsätzlich vor dem Abruf informiert werden. Jeder Jurist weiß, dass das Wort „grundsätzlich“ nichts anderes bedeutet, als dass zahllose Ausnahmen möglich sind. In den Leitlinien heißt es dazu:

„Ist eine heimliche Verwendung nach gerichtlicher Prüfung ausnahmsweise zulässig, bedarf es einer nachträglichen Benachrichtigung, von der nur mit richterlicher Bestätigung abgesehen werden kann“

Alles klar? Selbst eine nachträgliche Benachrichtigung kann demnach entfallen.

Daten von Berufsgeheimnisträgern dürfen nicht abgerufen werden. Damit ist klar, dass diese aber gespeichert werden. Die Leitlinien führen dazu aus, dass dies teilweise aus Datenschutzgründen und teilweise aufgrund technischer Fragen (dynamische IP-Adressen) nicht anders möglich sei. Zugleich wird ausgeführt, dass sog. Zufallsfunde nicht verwertet werden dürften. Jetzt muss das Wort „Zufallsfund“ nur noch entsprechend definiert werden und schon steht die angebliche Nichtabrufbarkeit nur noch auf dem Papier.

Und was die Abrufbarkeit bei schwersten Straftaten angeht, jeder möge sich den Katalog in Anlage 2 zu den Leitlinien ansehen. Und je nachdem wie dies endgültig formuliert wird, ist dies auch nur eine Vernebelung. Hier ist immer die genaue Formulierung spannend.

Zusammenfassung

Nachdem Herr Maas lange Zeit verkündet hat mit ihm werde es keine Vorratsdatenspeicherung geben besteht kein Anlass ihm seine jetzigen Versprechungen was alles nicht gemacht wird zu glauben.

Denn es gibt jetzt schon viele, die es gern umfassender hätten. Was spricht dafür, dass er dem nicht ebenfalls nachkommt?

Selbst wenn die Speicherfristen nicht erweitert werden, so bleibt doch die Tatsache, dass alle Bürger zunächst mal mit ihren Metadaten (Verbindungsdaten) gespeichert sind. Was man damit alles machen kann, habe ich bereits früher beschrieben.

Und es soll mir keiner erzählen, dass diese Daten, die bei zahlreichen Providern lagern werden, dort wirklich sicher sind. Man braucht nur täglich die Nachrichten zu verfolgen, um zu sehen wo ständig Daten geklaut werden.

Und natürlich hat bis heute keiner nachvollziehbar dargelegt, weshalb die Vorratsdatenspeicherung notwendig ist. Herr Gabriel hat vielmehr eindeutig dargelegt, wie hier mit Unwahrheiten gespielt wird, wenn er behauptete der Anschlag in Norwegen von Herrn Breivik sei durch die Vorratsdatenspeicherung aufgeklärt worden oder die Morde der NSU hätten durch diese geklärt werden können.

In Norwegen hat es zum damaligen Zeitpunkt keine Vorratsdatenspeicherung gegeben und Herr Breivik musste nicht ermittelt werden, er wurde noch am Tatort festgenommen. Bei den Morden der NSU hätte man die Täter nicht gefunden, weil man zunächst ja die Opfer selbst verantwortlich machte.

Und vielleicht noch der Anschlag auf Charlie Hebdo in Frankreich: Die Täter waren im Visier der Behörden. Was hätte da eine Vorratsdatenspeicherung noch zusätzlich bringen können?

Das Vorhaben der Bundesregierung wird somit aus vielerlei Gründen weder einer Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht noch einer solchen durch den Europäischen Gerichtshof standhalten.