Liberalität in Deutschland, die zweite Annäherung (29.12.2013)

Bei meiner ersten Annäherung habe ich mich mit den Wünschen der SPD eine liberale Partei sein zu wollen beschäftigt und dies am Koalitionsvertrag gemessen. Ich habe dort zusammenfassend festgehalten, dass der Staat sich in die intimsten Belange der Lebensführung der Menschen einmischt, er ihre Daten in einem bisher nicht gekannten Ausmaß speichert und er allen Menschen Geld wegnimmt, um es irgendwie anders zu verteilen.

Heute will ich mir, angeregt durch einen Artikel im Cicero, ganz allgemein Gedanken zur Schwierigkeit der Deutschen mit der Idee der Freiheit machen.

Der Artikel im Cicero geht davon aus, dass Demokratie in Deutschland unantastbar ist, sie aber aus den falschen Gründen geliebt wird, da ihre Verehrer in Wahrheit Freiheitsskeptiker seien. Ihnen ginge es weniger um den Schutz des Einzelnen als um den Schutz der Gemeinschaft, des Kollektivs. Geradezu rituell würden im Politikbetrieb „demokratische Werte“, „demokratische Kultur“ oder das „demokratische Menschenbild“ beschworen. Was darunter konkret zu verstehen sei, wisse keiner genau.

Dabei sei Demokratie in Deutschland lange verpönt gewesen. Es seien ihr sowohl von rechts wie von links die Vorstellung eines gemeinschaftlichen politischen Willens entgegengestellt worden. Dieser habe keine Parteien oder Fraktionen gekannt und benötigte auch keine Abstimmungen, sondern habe sich im kollektiven Wollen des Volkes artikuliert.

Erst nach 1945 habe sich dies dramatisch geändert. Zumindest in Westdeutschland. Im Osten benötigte dies bekanntlich noch 44 Jahre. Die Westdeutschen gerierten sich als Meisterschüler der Demokratie und ließen sich, zumindest äußerlich, von keinem etwas vormachen.

Aber war das wirklich so? Was bedeutet Demokratie? Soll sie die Freiheit des Einzelnen schützen oder ist sie ein Instrument zur Durchsetzung eines Mehrheitswillens?

Für mich und damit ich schließe ich mich der Meinung im Cicero an, ist der Zweck der Demokratie die Freiheit des Einzelnen. Demokraten traten vor allem für diese Freiheit des Einzelnen ein und kämpften gegen Zwangsherrschaft von Monarchien oder Diktaturen. Sie wurde vor allem dadurch legitimiert, dass sie das Streben nach persönlichem Glück und Erfolg möglich machen sollte.

Aber Demokratie ist auch Herrschaft, nämlich die der Mehrheit. Und hier nähern wir uns einem Problem, nämlich, dass die Freiheit des Einzelnen mit der Herrschaft der Mehrheit kollidiert.

Und wie ist dies nun in Deutschland? Ist es nicht so, dass hier vor allem die Gemeinschaft vor den vermeintlich destruktiven Interessen des Einzelnen geschützt wird, d.h. die Mehrheit vor dem Einzelnen, dass das Kollektiv wichtiger ist als der Einzelne?

Stimmt es, dass in Deutschland eine tiefe Skepsis gegen jede Form von Individualität besteht? Ist es so, dass die Demokratie nur ein Mittel ist, um das Ideal einer nivellierten Gesellschaft anzustreben und die Moral der Mehrheit allen aufzuzwingen, die auf ihrem eigenen Lebensstil bestehen, auch wenn dieser ungesund, unsolidarisch oder aus anderen Gründen von der Mehrheit nicht gern gesehen wird?

Sind den Deutschen widerstrebende Interessen, der Versuch einen Vorteil für sich herauszuschlagen, Taktieren, Streit, alle diese demokratischen Tugenden, die aus der Wahrnehmung der persönlichen Interessen freier Individuen resultieren wirklich unheimlich?

Schauen wir auf die vergangene Bundestagswahl, ihre Ergebnisse und den Koalitionsvertrag.

Die Wähler wollten eine große Koalition, obwohl sie diese im Jahre 2009 klar abgewählt hatten. Sie haben auch ansonsten mehrheitlich Parteien gewählt, die sich für die Gemeinschaft, das Kollektiv, was immer dies sein mag, einsetzen und begeistern. Es ist keine Partei in den Bundestag gewählt worden, für die die Freiheit des Einzelnen das Maß der Dinge ist.

Und was haben wir im Vorfeld der Bundestagswahl nicht alles hören müssen, ein Veggie-Day wurde gefordert, ebenso eine Helmpflicht für Radfahrer und vieles mehr.

Nach der Wahl gibt es den Versuch in Rheinland-Pfalz durch ein verfassungswidriges Kommunalwahlgesetz eine Frauenquote durch die Hintertür für Gemeinderatswahlen aufzustellen..

Es gibt den „Freiheitsindex 2013“, den die WELT mit der Überschrift „Die Deutschen wünschen sich mehr Verbote“ einleitete. Die Analyse ergab insbesondere eine unheilvolle Rolle der Printmedien, die sich eher für Verbote und Gleichheit, aber gegen die Freiheit artikulieren.

Und es gibt den Koalitionsvertrag, der sich in die intimsten Belange der Menschen einmischt.

Man muss zu dem Schluss kommen, dass einer Mehrheit in Deutschland eine auf Harmonie gebaute Konsensgemeinschaft, ein Kollektiv oder das „WIR“ aus dem Wahlkampf der SPD lieber ist, als eine Gesellschaft, die die Freiheit des Einzelnen in den Mittelpunkt stellt.

Leider wird dabei nicht gesehen, dass eine solche die Interessen des Einzelnen verachtende und das Kollektiv lobende Gesellschaft sich selbst in den Ruin führen wird. Zumindest sollte uns dies die Geschichte des letzten Jahrhunderts lehren (China wird das Beispiel in diesem Jahrhundert noch dafür abgeben).

Aber man muss dies nicht gottgegeben hinnehmen. Dagegen kann man etwas tun, Heilung ist möglich. Die liberale Idee der Freiheit des Einzelnen zwingt sogar dazu. Doch dazu mehr im Neuen Jahr.