Geheime Steuerdeals

Thorben Wengert  / pixelio.de

Thorben Wengert / pixelio.de

Der Skandal der geheimen Steuerdeals in Luxemburg und anderen Mitgliedstaaten der EU ist keineswegs geklärt. Aber angeklagt hat man jetzt erst mal die Whistleblower, die den Skandal aufdeckten und einen Journalisten.

Um was geht es?

Im November 2014 habe ich bereits hierüber unter der Fragestellung „Juncker rücktrittsreif?“ berichtet. Es ging um geheime Abkommen über Steuerkonstruktionen von Luxemburg mit multinationalen Unternehmen, die dazu führten, dass diese teilweise unter einem Prozent an Steuern auf ihren Gewinn bezahlten.

Beispiele wie E.on, Deutsche Bank oder Amazon habe ich damals geschildert. Involviert war immer wieder die weltweit tätige Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC (PricewaterhouseCoopers).

Und ich habe bereits damals die Frage aufgeworfen, ob die hochkomplexen Steuerkonstruktionen, die sich nur für große Firmen rechnen, nicht gegen EU-Recht, insbesondere das Beihilferecht verstoßen.

Eigentlich wollte ich mit einer weiteren Berichterstattung zuwarten bis sich der Nebel des Kampfgetümmels wie auch der Nebel der Nebelwerfer gelichtet hat. Aber jetzt wurden mir die eingangs genannten Anklagen bekannt.

Was ist bisher passiert?

Nicht viel.

Immerhin wurde einer breiteren Öffentlichkeit nun bekannt, dass bereits 1998 eine Gruppe Verhaltenskodex („Code of Conduct Group“, kurz CoCG) beim Europäischen Rat, geschaffen wurde. An den Sitzungen nahm neben den Mitgliedstaaten der EU auch die Kommission teil.

Dieses Gremium hatte eigentlich den Auftrag den Steuerwettbewerb in der EU zu bekämpfen. Dies funktionierte jedoch nicht, im Gegenteil

Deshalb wäre es besonders wichtig die Protokolle dieser Gruppe zu veröffentlichen. Diese werden jedoch nicht freigegeben. Selbst der vom Europaparlament eingesetzte Sonderausschuss erhält auf einen Teil der Papiere keinen Zugriff. Darüber hinaus durften die vorgelegten Unterlagen nur in einem Leseraum gelesen werden, obwohl mehr als die Hälfte der Inhalte geschwärzt war.

Die Kommission wies einen Antrag auf Offenlegung alle Dokumente der Gruppe seit 1998 ab. Dies würde den internen Entscheidungsprozess des Rates gefährden und die Privatsphäre einzelner Beteiligter verletzen.

Aber der wichtigste Grund dürfte sein, dass die Gruppe ohnehin nur Informationen von den Mitgliedstaaten erhielt, weil diesen „versichert wurde, dass die Informationen mit niemandem außerhalb dieser Gruppe geteilt werden“.

Es gibt nun ein Rechtsgutachten, das zu dem Schluss kommt, dass die Verweigerung der Herausgabe rechtswidrig ist. Laut den EU-Verträgen hat jeder Bürger der EU das Recht auf Zugang zu den Dokumenten von deren Organen. Ausnahmen sind im Einzelfall konkret zu begründen.

Es bleibt abzuwarten wie die angekündigte Klage auf Herausgabe ausgehen wird. Jedenfalls wird viel Zeit ins Land gehen.

Das EU-Parlament hatte einen Sonderausschuss eingesetzt, der im November 2015 einen ersten Bericht verabschiedete. Danach zahlen die meisten internationalen Konzerne in der EU weniger als fünf Prozent Steuern auf ihre Gewinne, selbst in Ländern, in denen der normale Steuersatz bei 30 % liegt. Highlight war wohl der Medienkonzern Disney, der im Jahre 2014 trotz eines Milliardengewinns lediglich 0,3 % Steuern bezahlte.

Wie bereits dargelegt konnte der Ausschuss viele Dokumente nicht einsehen, so dass logischerweise eine Bewertung der politischen Verantwortung nicht möglich war.

Es entstand dann erstmal heftiger Streit, ob das Mandat des Ausschusses verlängert wird. Inzwischen hat das Parlament die Fortsetzung des Ausschusses beschlossen. Dieser Beschluss besteht aus mehr als 176 Einzelpunkten, die hier nicht im Einzelnen referiert werden können. Aber es verurteilt die Nichtvorlage der obigen Dokumente.

Es bleibt auch hier abzuwarten was die Fortsetzung des Ausschusses an Ergebnissen bringen wird.

Anklagen

Aber zurück zum Anlass des Artikels.

Wir halten zunächst fest, dass mittels windiger Konstruktionen die Steuerlast großer Konzerne auf ein Minimum reduziert wurde, die normale Bürger oder auch kleine und mittlere Unternehmen nie erreichen können.

Wir halten weiter fest, dass die politischen Verantwortlichkeiten nicht geklärt sind. Ebenso wenig die Frage, ob diese Steuerminimierung nicht gegen das Beihilferecht der EU verstößt. Dafür spricht aber manches, nachdem inzwischen einige Firmen mehr oder weniger freiwillig Steuernachzahlungen erbringen.

Dafür wurde in Luxemburg eine Anklage erhoben gegen zwei ehemalige Mitarbeiter von PwC und einen französischen Journalisten.

Die beiden früheren PwC-Mitarbeiter werden des Diebstahls, des illegalen Zugriffs auf ein Computersystem, der Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen, des Bruchs der beruflichen Schweigepflicht und des Besitzes von gestohlenen Dokumenten beschuldigt.

Der Journalist wurde angeklagt, die aus diesen angeblichen Straftaten erlangten Dokumente veröffentlicht zu haben.

Der Prozess soll vom 26.04. bis zum 04.05.2016 in Luxemburg stattfinden.

Wenn Sie sich jetzt an meine Artikel über die Vorgänge um netzpolitik.org oder die Einführung des Straftatbestandes der Datenhehlerei erinnert fühlen, liegen Sie sicher nicht ganz falsch.

Fazit

Ich könnte jetzt schreiben, die Kleinen hängt man und die Großen lässt man laufen. Dies würde mir sicher Beifall bringen, aber erfasst die Dimension der Affäre keineswegs.

Die Wettbewerbskommissarin der EU, Frau Vestager sagte:

“LuxLeaks could not have happened if it was not for the whistleblower and the team of investigative journalists. The two worked very well together to change the momentum of the debate about corporate taxation in Europe … I think everyone should thank both the whistleblower and the investigative journalists who put a lot of work into this.”

So, so, Frau Vestager denkt also, dass jedermann den Whistleblowern und den investigativen Journalisten danken sollte. Ich bin jetzt nicht ganz sicher, ob ich mir besser einen Eimer suche oder mir einen Wutausbruch gönne.

Beides ist aber nicht hilfreich. Also halte ich nur fest, die Dame ist Mitglied jener Kommission, die sich weigerte die Dokumente an den Sonderausschuss des Parlaments zu geben.

Wie heuchlerisch darf man sein, bevor man zurücktritt?