Windkraft oder Wetterradar, zum Dritten

Unwetter     FP  / pixelio.de

Unwetter FP / pixelio.de

Bekanntlich geht es um die Frage, ob durch Windräder die Vorhersage von Unwettern beeinträchtigt wird, mit der Folge erheblicher Sach- und Personenschäden.

Im Moment steht es zwei zu eins für die Windräder. Bereits zweimal habe ich über den Konflikt zwischen Windrädern und dem Wetterradar des Deutschen Wetterdienstes (DWD) berichtet.

Von einem Urteil des Verwaltungsgerichts Trier zu Gunsten der Windräder und von einem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf zu Gunsten des Wetterradars. Das Berufungsverfahren gegen das Urteil aus Trier ist noch beim Oberverwaltungsgericht in Koblenz anhängig. Gegen das Urteil aus Düsseldorf ist ebenfalls ein Rechtsmittel eingelegt, das Verfahren ist beim Oberverwaltungsgericht in Münster anhängig.

Nun hat sich am 18.09.2015 der Verwaltungsgerichtshof (VGH) München mit dieser Thematik befasst. Laut Pressemitteilung vom 28.10.2015 führt das geplante Windrad jedoch lediglich zu einer geringfügigen Störung des Wetterradars, so dass eine Versagung der Genehmigung nicht gerechtfertigt sei. Es könne eine Nebenbestimmung erlassen werden, dass die Windkraftanlage bei bestimmten „unwetterträchtigen“ Wetterlagen auf Verlangen des DWD abzuschalten sei.

Der VGH hat jedoch den die Windkraftanlage ablehnenden Bescheid des zuständigen Landratsamtes aufgehoben. Zum einen, damit das Landratsamt über diese Nebenbestimmung entscheiden kann, vor allem aber, weil das Landratsamt die Belange des Denkmalschutzes und des Artenschutzes nicht geklärt habe.

Urteilsbegründung

Hier interessiert jedoch vor allem die genaue Begründung bezüglich des Wetterradars im Urteil (Rdn. 39 – 78), zumal sich der VGH sehr ausführlich mit dieser Thematik beschäftigt hat.

Der VGH geht davon aus, dass die Windkraftanlage das Wetterradar nachteilig beeinflusst und dass diese Beeinflussung nicht ohne weiteres beseitigt werden kann.

Er sieht jedoch lediglich eine geringfügige Störung. Nur für besondere Ausnahmefälle, wenn kleinräumige, kurzlebige, aber gleichwohl extreme Wetterereignisse zu befürchten sind, könne der Erlass von Nebenbestimmungen zur Genehmigung gerechtfertigt sein. Keineswegs dürfe aber die Genehmigung selbst verwehrt werden.

Der VGH legt dar, dass bei der Abwägung der Gründe besonders zu berücksichtigen ist, dass der Gesetzgeber Windkraftanlagen im sog. Außenbereich bevorzugt behandelt.

Er führt aus, dass nur ein geringer Wirkungsbereich des Radarstrahls des Wetterradars gestört würde. So habe der vom Gericht bestellt Sachverständige von „punktuellen Störungen in der Nebenkeule des Niederschlagscans“ gesprochen. Er wies weiter darauf hin, dass eine Wetterradarstation mit Störungen bei der Auswertung des sog. untersten Volumenscans gleichsam zurechtkommen müsse. Windkraftanlagen seien insofern zwar unter Umständen problematisch, nicht jedoch bei gutem Wetter und nicht bei großflächigen Schlechtwetterereignissen, sondern allenfalls bei kleinräumigen und kurzlebigen Schlechtwetterereignissen.

Der VGH erläutert, dass auch bei der Betrachtung kleinräumiger und kurzlebiger, aber extremer Wetterereignisse im Allgemeinen keine Anhaltspunkte für eine Störung der Funktionsfähigkeit des Wetterradars mit spürbaren Auswirkungen auf Unwetterwarnungen erkennbar seien (Rdn. 67 des Urteils). Er nimmt dabei vor allem Bezug auf die konkreten Verhältnisse der in diesem Verfahren in Rede stehenden Windkraft- und Wetterradaranlagen.

Das Gericht beschäftigt sich intensiv mit der Frage der Mesozyklone (Vorstufen von Tornados). Das Verwaltungsgericht Trier hatte dazu angemerkt, dass dies nicht weiter von Bedeutung sei, da es sich um sehr seltene Ereignisse handele. Dieses Jahr gab es bekanntlich eine größere Zahl davon.

Der VGH stützt sich darauf, dass die höchste Warnstufe des DWD bereits dann ausgelöst wird, wenn ein Mesozyklon in großer Höhe bis hinunter auf eine Höhe von 1,5 km festgestellt wird. Es sei deshalb nicht erkennbar, dass es auf den oben bereits angesprochenen untersten Volumenscan ankommen könne.

Was Hagelwarnungen angehe, so habe der Sachverständige ausgeführt, dass dieses Warnkriterium nur an solchen Orten relevant sei, wo auch ein Gewitter festzustellen ist. Diesbezüglich seien aber allenfalls Überwarnungen möglich.

Die vom DWD erhobenen Einwände seien im Wesentlichen nicht stichhaltig.

Dass eine Abweichung der tatsächlichen von der meteorologisch prognostizierten Niederschlagsmenge um 14 % eine spürbare Qualitätseinbuße der Unwetterwarnungen bedeutet ist nach Auffassung des VGH nicht ausreichend dargelegt.

Bei Regen und Schnee wiederum handele es sich in aller Regel um Wettererscheinungen, die nicht allein in dem Bereich hinter einer Windkraftanlage stattfinden, sondern bereits vom Wetterradar entdeckt werden können, bevor sich eine solche Wetterfront in diesen von der Radarantenne nur eingeschränkt abtastbaren Bereich bewegt hat.

Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht daraus, dass der DWD bei extremen Wetterereignissen zu Gemeindewarnungen anstelle von Landkreiswarnungen übergehen wolle. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein sehr kleinräumiges Unwetterereignis entwickelt, das ausschließlich innerhalb des von der Windkraftanlage beeinträchtigten Sektors stattfindet erscheint dem Gericht vernachlässigenswert gering.

Interessant die folgenden Ausführungen des Gerichts am Ende von Rdn 77:

„Generell gilt, dass der Verwaltungsgerichtshof künftige radarmeteorologische Entwicklungen, die sich im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht hinreichend konkret abzeichnen, nicht berücksichtigen kann. Das vorliegende Urteil bedeutet andererseits auch nicht, dass gegebenenfalls in der Zukunft eintretenden Neuentwicklungen von der Genehmigungsbehörde nicht Rechnung getragen werden dürfte.“

Ganz wohl scheint dem Gericht bei seiner Entscheidung nicht zu sein, wenn es dies extra betont.

Hierfür sprechen auch die Ausführungen in Rdn. 78, nachdem bis dahin alles als vernachlässigenswert bezeichnet wurde:

Es könne jedoch „in besonderen Ausnahmefällen bei gefährlichen Wetterlagen (Mesozyklonen, Hagelschlag, Starkregen, starker Schneefall), die im Einzelfall zu besonders kleinräumigen, kurzlebigen, aber gleichwohl extremen Wetterereignissen führen können“, nicht ausgeschlossen werden, dass es zu einer Störung der Funktionsfähigkeit des Wetterradars kommen könnte.

Dies rechtfertige jedoch nicht die Ablehnung der Windkraftanlage, sondern nur die Beifügung von Auflagen. Dazu führt der VGH aus:

„In Betracht kommt, durch Nebenbestimmungen zur immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zu regeln, dass bei bestimmten „unwetterträchtigen“ Wetterlagen der Betrieb der streitgegenständlichen WKA in einer Weise stattfindet, die den Bedenken des DWD Rechnung trägt; in Betracht kommt eine Verpflichtung, die WKA auf Verlangen des DWD abzuschalten.“ (WKA = Windkraftanlage)

Dies sei auch praktikabel. Eine ähnliche Regelung durch eine Vereinbarung gebe es in Hessen. Die genauen Details müsste die Genehmigungsbehörde bestimmen.

Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde zugelassen.

Fazit

Ich habe Zweifel am Ergebnis, wenn es auch in weiten Teilen eine gut begründete Entscheidung ist. Es bleibt abzuwarten, ob Revision eingelegt wird. Und ich werde versuchen festzustellen, wie die vom VGH angesprochene Regelung in Hessen ausgestaltet ist.

Ich kann mich jedoch des Eindrucks einer Lücke in der Argumentation des VGH nicht erwehren. Er sieht bekanntlich die Gefahr einer Beeinträchtigung der Vorhersage von Unwettern bei besonders kleinräumigen, kurzlebigen, aber extremen Wetterereignissen (wie einem Tornado). Gleichwohl meint er, dass es mit einer Verpflichtung die Windräder auf Verlangen des DWD bei solchen Unwetterlagen abzuschalten, getan ist.

Er schreibt selbst, dass es um kleinräumige und kurzlebige Wetterereignisse geht. Ich habe Zweifel daran, dass in der jeweiligen kurzen Zeit eine rechtzeitige Abschaltung, damit noch geprüft werden kann, ob eine Unwetterwarnung herausgegeben werden muss, möglich ist.

Hinzu kommt, dass er in Rdn. 67 des Urteils geschrieben hat, dass selbst bei solchen Wetterlagen nicht erkennbar sei, dass es spürbare Auswirkungen auf die Vorhersage gibt. Dies erscheint widersprüchlich und ist wohl einem gewissen Unwohlsein bei der Argumentation geschuldet.