Update zum chinesischen Kanal in Nicaragua

Sybille und Kurt Mader  / pixelio.de

Sybille und Kurt Mader / pixelio.de

Neue Demonstrationen und ein Gutachten, das fast ein Jahr nach Baubeginn veröffentlicht wird.

Zum ersten Mal habe ich im Dezember 2014 über den Kanal, den eine chinesische Firma über 278 km vom Pazifik zur Karibik ziehen soll berichtet. Baubeginn war in jenem Dezember. Die Kosten sollen 50 Mrd. EURO betragen, 30.000 Menschen umgesiedelt und 400.000 Hektar Regenwald zerstört werden. Von den westlichen Umweltverbänden hörte man nichts. Von Transparenz beim Bau keine Spur.

Die chinesische Firma HKND (Hong Kong Nicaragua Canal Development Group), die speziell für den Bau gegründet wurde, soll den Kanal bauen. Bekannt ist lediglich ein Herr Wang. Wer sonst noch hinter der Firma steht ist unbekannt. Eine Ausschreibung hatte es nicht gegeben.

Das für Frühjahr dieses Jahres angekündigte Gutachten liegt jetzt endlich vor. Juni 2015 wurde bekannt, dass die chinesische Baufirma das von ihr in Auftrag gegebene Gutachten vorgelegt hatte. Es sollte jedoch zunächst von der Regierung Nicaraguas ausgewertet werden.

Bekannt wurde, dass für den 278 Kilometer langen Kanal ca. 5 Mrd. Kubikmeter Erde bewegt werden müssen. Gem. der Projektbeschreibung sollen ca. 2.000 schwere Maschinen, ca. 4 Mrd. Liter Diesel, 400.000 Tonnen Sprengstoff und Millionen Tonnen von Zement und Stahl benötigt werden. Nahezu alles müsste importiert werden.

Im Gesetz zum Kanalbau bekam die chinesische Firma vom Staat Nicaragua u.a. das Recht eingeräumt jedes Grundstück zu enteignen, welches sie für den Bau benötigt, und sie muss dafür keinerlei Entschädigung bezahlen. Dies soll die Regierung übernehmen.

Verbindungen zur Regierung in China bestreitet Herr Wang. So recht glaubhaft erscheint dies nicht. Immerhin hat seine Telekomfirma, die Beijing Xinwei Telecom Technology Corporation, den Zuschlag erhalten ein Mobilfunknetz in China zu bauen und für die Volksbefreiungsarmee neue Kommunikationssysteme zu entwickeln.

Die HKND ist eine von 16 verbundenen Firmen, die in Peking, Hongkong, den Cayman Islands, Holland und Nicaragua angesiedelt sind. Alle sind erst wenige Jahre alt. Handfeste Informationen über Aktionäre und Kapital sind kaum zu bekommen. Laut FAZ werden Anrufe und Mails nicht beantwortet.

Der Kanal soll bis 2020 fertig sein. Allerdings sind die Arbeiten nach ihrem Beginn im Dezember 2014 umgehend wieder eingestellt worden und ruhen seitdem.

Wesentlich erscheint weiter, dass Nicaragua ein enger Verbündeter von Russland ist. Angeblich sollen Soldaten aus Moskau die Bauten überwachen und die Armee Nicaraguas im Kampf gegen Drogenkartelle unterstützen. Als Herr Putin das Land besuchte zeigte er sich interessiert eine Marinebasis aufzubauen.

Nicaragua ist eines von nur vier Ländern, welches die früheren georgischen Provinzen Südossetien und Abchasien als unabhängige Staaten anerkannt hat. Selbstredend liefert Moskau auch militärische Ausrüstung für die nicaraguanische Armee. Angeblich wollte Russland den Kanal 2008 selbst bauen, konnte dies aber aus finanziellen Gründen nicht stemmen.

Interessant ist, dass Herr Wang wohl auch Projekte in Russland und der Ukraine plant. Zumindest hat er wenige Monate vor der Annektion der Krim durch Russland sich dahin geäußert auf der Krim einen Tiefseehafen zu bauen.

Jedenfalls alles sehr seltsam. Natürlich könnte man spekulieren, dass es China vor allem um die Handelswege und Russland um Präsenz im Hinterhof der USA geht. Natürlich ist es auch verwunderlich, dass die USA weitgehend schweigen.

Interessanterweise ist auch bis heute nicht bekannt, woher das Geld für den Bau kommt, obwohl Herr Wang bereits Ende 2013 die Investoren benennen wollte. Angeblich arbeitet die Beratungsfirma McKinsey noch an einer Studie über die Wirtschaftlichkeit des Kanals. Sowohl diese Studie als auch die nun veröffentlichte Umweltstudie soll Herr Wang aus seinem Privatvermögen bezahlt haben.

Das Umwelt- und Sozialgutachten erstellte die britische Beratungsfirma ERM. Es handelt sich danach um das größte zivile Tiefbauprojekt aller Zeiten. Es werden 50.000 Arbeiter benötigt. Mindestens die Hälfte müsste aus dem Ausland kommen, weil es nicht genug qualifizierte Arbeitskräfte in Nicaragua gibt.

Auch ERM sagt, dass Salzwasser in den Nicaraguasee, den größten Süßwasserspeicher der Region und Lebensgrundlage vieler Menschen, eindringen könnte. Die Freisetzung von Sedimenten durch die Bauarbeiten könnte das ökologische Gleichgewicht zerstören.

Es müssten demnach ca. 2.900 Quadratkilometer Land enteignet werden. Dies wäre mehr als die Fläche Luxemburgs. Und es sei völlig unklar, wie die davon betroffenen Menschen entschädigt werden.

Größere Proteste mit ca. 15.000 Teilnehmern gab es zuletzt im Juni dieses Jahres.

Und wie schon im Dezember 2014 geschrieben, keinerlei Notiz unserer großen Umweltorganisationen BUND, Greenpeace, WWF. Auf der Webseite des WWF findet sich ein langer Energiebericht, in welchem u.a. die Rolle Nicaraguas bei erneuerbaren Energien bejubelt wird. Aber kein Wort zu diesem Kanal.

Es bleibt dabei, wenn westliche Firmen oder konservative Regierungen die Umwelt zu zerstören drohen bei Megaprojekten, stehen unsere NGOs (Nichtregierungsorganisationen) sofort auf der Matte.

Umso mehr verwundert, dass bei diesem intransparenten Projekt, das tausenden Menschen die Lebensgrundlage entziehen wird von allen diesen Organisationen nichts zu hören ist. Wieso werde ich das Gefühl nicht los, dass dies mit der politischen Ausrichtung der Beteiligten zu tun hat?