EU – 10 Jahre Osterweiterung (11.05.2014)

Was wurde nicht alles prophezeit: Die Überschwemmung des Arbeitsmarktes mit Billigarbeitern, der Untergang der Industrie, weil die neuen Länder alles billiger machen, die Unfinanzierbarkeit der Landwirtschaft oder eine nicht mehr mögliche Entscheidungsfindung bei so vielen Mitgliedstaaten. Und was ist davon eingetreten: Nichts.

Aber der Reihe nach:

Zum 01.05.2014 traten 10 Länder der Europäischen Union (EU) bei: Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien sowie die Mittelmeerinseln Zypern und Malta. Dies war ein Zuwachs von 75 Millionen Menschen auf damals insgesamt 450 Millionen Einwohner in der EU, von 15 Mitgliedstaaten auf 25.

In Deutschland fürchtete man die Überflutung mit Arbeitskräften so sehr, dass man sogar eine Ausnahmeregelung für sieben Jahre beschloss, in der man die Zuwanderung beschränken konnte. Lustigerweise führte man in dieser Zeit eine Kampagne zur Anwerbung von Informatikern und Ingenieuren durch, die ziemlich erfolglos war.

Und nichts von den eingangs genannten Prophezeiungen ist eingetreten. Im Gegenteil, aber dies will kaum einer sehen, war die Osterweiterung einer der großen Erfolge der EU. Auch jetzt wird vor allem gerne daran herumgemäkelt, dass nicht alle Träume in Erfüllung gingen.

Diverse Studien zeigen, dass durch die Osterweiterung keine Arbeitsplätze verloren gingen. In einer neuen Umfrage klagen nur noch 10 Prozent der deutschen Unternehmen über die Konkurrenz aus diesen Ländern, im Jahre 2004 fürchtete sich ein Drittel vor der Osterweiterung. Zugleich haben sich die Lebensverhältnisse in den neuen Mitgliedstaaten deutlich verbessert.

Es ist sicher nicht einfacher geworden Lösungen für schwierige Probleme zu finden. Aber die Solidarität der Neuen ist manchmal beeindruckend. So hat die Slowakei Kreditbürgschaften für Griechenland übernommen, obwohl die Wirtschaftsleistung pro Kopf der Bevölkerung in Griechenland höher ist. Oder wie soll man es werten, wenn der polnische Außenminister angesichts der Krise in der Ukraine fordert, dass Deutschland mehr Führung in Europa übernimmt.

Und im Baltikum würden sich heute sicher auch Separatisten für Russland finden, wenn nicht die gesamte Bevölkerung erfahren hätte wie positiv sich die Mitgliedschaft in der EU auf das Leben und den Wohlstand weiter Kreise der Bevölkerung auswirkt.

Auch die ansonsten gängige Korruption scheint in diesen Ländern kein wirkliches Problem mehr zu sein. Dies ist in Bulgarien und Rumänien sicher anders, aber diese Länder wurden erst 2007 aufgenommen und m.E. erfüllten sie bereits damals die Kriterien nicht, man hätte mit deren Aufnahme warten müssen.

Natürlich gibt es in diesen Ländern noch immer Armut, aber kein Vergleich mit den Ländern, die nicht in der EU sind, wie der Ukraine.

Schwierig ist der Nationalismus in Ungarn. Aber auch hier wurde in meinen Augen, dieser trat in dieser Prägnanz erst nach dem Beitritt auf, zu lange zu viel unter den Teppich gekehrt. Auch in einer Familie, in einer Gemeinschaft muss man Klartext reden, dass derjenige, der sich nicht an die Regeln hält, Konsequenzen spüren muss.

Aber nehmen wir mal als Beispiel unser großes Nachbarland Polen. Für Polen hat sich die Mitgliedschaft als sehr wirkungsvoll erwiesen und die Polen sind vielleicht am proeuropäischsten von allen Mitgliedstaaten. Polen geht es weit besser als vor 2004.

Dabei war Polen damals nachgesagt worden, es sei das am schlechtesten vorbereitete Land. Es gab zahlreiche Korruptionsskandale, der damalige Ministerpräsident musste einen Tag nach dem Beitritt zurücktreten.

Es bestand die Angst, dass der Westen das Land dominieren werde und insbesondere die Landwirte hatten Angst vor der Konkurrenz aus dem Westen. Heute sind mehr als 60 % der Polen der Meinung, dass der Beitritt von großem Vorteil für ihr Land war. Die größte Zufriedenheit findet man bei den Landwirten.

Die Wirtschaft in Polen wuchs in den letzten 10 Jahren um 49 Prozent, die Arbeitslosigkeit von damals 20 Prozent hat sich halbiert. Die polnische Wirtschaftskraft beträgt heute 68 Prozent des EU-Durchschnitts. Allerdings sind auch zwei Millionen Polen nach 2004 ausgewandert, meist nach Großbritannien und Irland. Einige sind inzwischen zurückgekehrt. Eine Studie aus dem Jahre 2006 berichtet, dass sich diese Zuwanderung positiv auf die Wirtschaft in Großbritannien und Irland ausgewirkt hat.

Ob Polen unter dem Eindruck der Krise in der Ukraine nun noch den EURO einführt bleibt abzuwarten.

Aber man sollte sich an diesem Jahrestag vielleicht auch mal vergegenwärtigen, dass man von Portugal bis Estland, von Schweden bis Griechenland reisen kann ohne an diversen Grenzen peinlich befragt zu werden, was man in dem Land wolle, und ohne dass man einen Ausweis vorzeigen muss.

Oder dass man seine elektrischen Geräte, z.B. das Smartphone zum aufladen, in jede Steckdose stecken kann, ohne diverse Adapter mit sich zu führen. Oder, wie andere schreiben, überall Wasser aus der Leitung trinken kann, weil es eine EU-weite Trinkwassernorm gibt.

Leider fehlt es in dieser oft verteufelten EU zu oft am politischen Willen die wirklich großen Fragen anzugehen und verliert man sich im klein-klein des Energieverbrauches von Staubsaugern oder Kaffeemaschinen. Nur, auch hier muss man festhalten, dass vieles an den Mitgliedstaaten liegt, die für ihr eigenes Versagen gerne die EU verantwortlich machen.

Bei aller Kritik, die man an der EU üben muss, und die ich in meinen Beiträgen der letzten Wochen verbalisiert habe, hat sich die EU positiv für die Menschen in Europa ausgewirkt. Wir müssen nun jedoch aufpassen, dass wir Freiheit und Wohlstand nicht durch kleinkarierte Krämerseelen verspielen.