Direkte Demokratie – Volksentscheide in Bundesländern (23.08.2011)

Letzte Woche habe ich mich mit Verbesserungsmöglichkeiten bei Bürgerentscheiden in den Kommunen befasst. Diese Woche geht es um Volksentscheide in den Bundesländern. In allen Bundesländern sind Volksentscheide vorgesehen, wobei grundsätzlich ein dreistufiges Verfahren zugrunde liegt: Volksinitiative – Volksbegehren – Volksentscheid.

Zuerst ist ein Antrag auf Durchführung eines Volksbegehrens zu stellen. Ist die Initiative rechtlich zulässig, kommt es im zweiten Schritt zum Volksbegehren, für das ein bestimmtes Unterschriftenquorum erforderlich ist, das zwischen 4 % (Brandenburg) und 20 % (Nordrhein-Westfalen, Hessen) variiert.

Erst bei einem erfolgreichen Volksbegehren kommt es zur Durchführung eines Volksentscheids.

Jedoch genügt, anders als bei Wahlen in den meisten Ländern, die einfache Mehrheit nicht. In der Regel ist die Zustimmung von mindestens einem Viertel, bei Verfassungsänderungen sogar der Hälfte aller Wahlberechtigten vorgeschrieben. Eine der wenigen Ausnahmen bildet Bayern, das bei einfachen Gesetzen keine Zusatzklausel und bei Verfassungsänderungen ein Zustimmungsquorum von 25 % vorsieht

Von 1946 bis Ende 2010 wurden in den deutschen Bundesländern insgesamt 251 Anträge auf Volksbegehren beziehungsweise Volksinitiativen auf Landesebene eingeleitet. Bei 72 hiervon wurden Volksbegehren und bei lediglich 18 ein Volksentscheid durchgeführt.

Bereits das Unterschriftenquorum für das Volksbegehren ist oft problematisch. Es müssen zwischen 4 und 20 Prozent der Wahlberechtigten es beantragen. Hinzu kommt, dass diese Unterschriften innerhalb einer bestimmten Frist zu erbringen sind. Diese Frist variiert von zwei Wochen (Baden-Württemberg) bis zu gar keiner Frist (Mecklenburg-Vorpommern).
Ein Quorum von 20 % ist inakzeptabel. Dies ist eher ein Quorum zur Verhinderung eines Volksbegehrens. Dies gilt auch für eine Frist von zwei Wochen.

Wie bereits letzte Woche bei der Gemeindeebene erscheint deshalb ein Quorum von 7 % als vernünftig und ebenso eine Frist zur Beibringung von Unterschriften innerhalb von einem bis zu vier Monaten.

Dasselbe gilt für die weiteren Punkte, die ich letzte Woche zu den Volksabstimmungen auf Gemeindeebene behandelt habe. Dies muss nicht alles hier wiederholt werden.

Eine Besonderheit gibt es auf Landesebene. Man kann für eine Verfassungsänderung ein höheres Quorum bei der Zustimmung zu einem Volksentscheid verlangen als bei einem solchen zu einem einfachen Gesetz.

Dass hier dringend Änderungen erforderlich sind, zumindest in einzelnen Bundesländern ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass in Baden-Württemberg bis heute kein Volksbegehren und kein Volksentscheid aufgrund einer Initiative aus dem Volk heraus erfolgt ist und es in Hessen, Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern jeweils nur ein Volksbegehren aus dem Volke gab.

Von Bedeutung sind die Hürden auch für die Beobachtung, dass die bisherigen Initiativen fast immer von Aktionsbündnissen getragen wurden. So spielen vor allem Gewerkschaften oder Verbände eine wichtige Rolle bei der Sammlung von Unterschriften.

Es erscheint deshalb zweifelhaft, wenn behauptet wird, das Volk sei hier Lobbyist in eigener Sache. Es sind hier durchaus Vereinigungen beteiligt, die auch im parlamentarischen Raum als Lobby auftreten. Dies gilt noch mehr, wenn Parteien an solchen Volksbegehren sich beteiligen, im Zweifel immer diejenigen, die im Parlament unterlegen waren

Dies spricht nicht gegen Volksentscheide, aber man sollte diese auch nicht verklären. Sie werden, zumindest auf Landesebene von Organisationen getragen, die sich sehr wohl äußern können.

Trotzdem erscheint es mir richtig, dass die Hürden, wie oben dargelegt, gesenkt werden, damit auch die Bürger selbst oder kleine Organisationen in der Lage sind solche Dinge zu organisieren. Wichtig ist es in meinen Augen, dass die Bürger Volksbegehren erfolgreich initiieren können, ohne auf etablierte Kräfte wie Gewerkschaften, Umweltverbände oder Parteien, welcher Couleur auch immer, angewiesen zu sein.

Die Initiative gegen Rauch in Kneipen in Bayern war ja weitgehend getragen von der ÖDP, den Grünen und der SPD. Ein Musterbeispiel dafür, was erreicht werden kann, auch wenn man im Parlament unterlegen ist.

Der Volksentscheid zur Schulreform in Hamburg war getragen von verschiedenen Lehrerverbänden, Eltern, Schulleitern und der FDP. Die FDP war damals nicht im Landesparlament, während alle im Parlament vertretenen Parteien für die Schulreform waren, die durch den Volksentscheid gekippt wurde.

In beiden Fällen formierte sich eine Art außerparlamentarische Opposition gegen das vom Parlament beschlossene und konnte sich durchsetzen.

Dies zeigt m.E. die Wichtigkeit von Volksentscheiden, damit auch die Parlamente am Bürger bleiben.