Direkte Demokratie – Verbesserungsmöglichkeiten bei Volksabstimmungen (16.08.2011)

Unstrittig gibt es Hürden für Bürgerbegehren, die ich letzte Woche beschrieben habe. Welche davon sind sinnvoll, welche sollten geändert oder gestrichen werden? Beginnen wir mit den Bürgerentscheiden in Kommunen.

Dazu werden von Mehr Demokratie e.V. u.a. folgende Vorschläge gemacht:

Themenausschlüsse streichen

In vielen Bundesländern dürfen die Bürger nicht über alle Themen abstimmen. So sind Bürger- und Ratsbegehren zu Großprojekten wie etwas Kraftwerken oder Biogas-Anlagen ebenso untersagt wie solche zur Ausweisung neuer Gewerbegebiete, zum Bau von Hochhäusern oder zum Bau von Windkraftanlagen. Wir wollen, dass die Bürger mit Ausnahme des städtischen Gesamthaushalts über alle Fragen entscheiden können, in denen auch ihre gewählten Vertreter in den Räten das Entscheidungsrecht haben.

Dem kann ich zustimmen.

Kostendeckungsvorschlag abschaffen

Weil man glaubt, dass die Bürger das Geld sonst aus dem Fenster werfen, ist es vorgeschrieben, für ein Bürgerbegehren einen Kostendeckungsvorschlag zu formulieren, falls das Begehren Einsparungen verhindern will oder höhere Kosten zur Folge hätte. Das Problem dabei ist: Meist gibt es unterschiedliche Meinungen über die Folgekosten eines Bürgerbegehrens und darüber, welche Kosten im Kostendeckungsvorschlag zu berücksichtigen sind. Oftmals können selbst Politik und Verwaltung keine genauen Zahlen nennen und damit Bürgerbegehren auch nicht bei der Formulierung eines Kostendeckungsvorschlags helfen. Die Kostenfrage gehört in die öffentliche Debatte, sollte aber nicht Bürgerbegehren zu Fall bringen können. Wir fordern deshalb, dass von Bürgerbegehren kein Kostendeckungsvorschlag mehr verlangt wird.

Dem kann ich nicht ohne weiteres zustimmen. Die Frage ist doch was geschieht bei erheblichen Mehrkosten. Wer entscheidet an welcher anderen Stelle gespart wird oder ob Schulden gemacht werden? Soll dies dann der Gemeindevertretung obliegen?

Einreichungsfrist streichen

Nach einem Ratsbeschluss haben die Bürger oft nur wenige Wochen oder Monate Zeit, gegen diesen mit einem Begehren vorzugehen. Die Initiatoren eines Bürgerbegehrens sollten aber so lange Unterschriften sammeln können, wie in der Sache noch keine unveränderlichen Fakten geschaffen worden sind. Schließlich können auch Räte noch nicht umgesetzte Beschlüsse jederzeit wieder aufheben.

Eindeutig nein. Wer soll entscheiden, was unabänderliche Fakten sind? Dies führt nur zu jahrelangen Gerichtsverfahren, was dazu führt, dass im Zweifel gar nichts entschieden wird. Natürlich muss eine Frist angemessen sein und sollte deshalb nicht weniger als einen Monat betragen. Aber mehr als 3 oder 4 Monate würde ich ebenfalls als problematisch ansehen.

Angemessene Unterschriftenhürden

Damit es zu einem Bürgerentscheid kommt, muss ein Bürgerbegehren zuvor von einem bestimmten Anteil aller stimmberechtigten Bürger unterzeichnet worden sei. Die Unterschriftenhürden sind dabei in den Bundesländern sehr unterschiedlich gestaltet. In einigen Bundesländern sind sie so hoch, dass Bürgerentscheide Seltenheitswert haben. Mehr Demokratie schlägt vor, dass ein Bürgerbegehren von sieben Prozent der stimmberechtigten Bürger einer Gemeinde, höchstens aber von 10.000 Bürgern unterzeichnet werden muss.

Mit den sieben Prozent kann ich konform gehen, aber nicht mit der Höchstzahl von 10.000 Bürgern. Dies ist bei Städten mit über 200.000 stimmberechtigten Bürgern m.E. zu wenig. Zugegeben dies betrifft nicht viele Fälle, aber weshalb soll in Großstädten die Sache leichter sein als in kleinen Gemeinden?

Aufschiebende Wirkung

Damit Bürgerbegehren nicht vor ihrer Behandlung im Rat durch das Schaffen unwiderruflicher Fakten unterlaufen werden, bedarf es eines besonderen Schutzes. Nach Abgabe der Hälfte der erforderlichen Unterschriften bei der Kommune soll deshalb für einen Zeitraum von einem Monat eine dem Begehren entgegenstehende Entscheidung der Organe nicht mehr getroffen oder mit dem Vollzug einer derartigen Entscheidung begonnen werden, es sei denn, zum Zeitpunkt der Abgabe haben rechtliche Verpflichtungen der Gemeinde. Diese Rechtswirkung soll auch vom Zeitpunkt der Einreichung des Bürgerbegehrens bis zur Durchführung des Bürgerentscheids bzw. bis zur rechtskräftigen Feststellung der Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens gelten.

Hier würde ich sogar noch etwas weitergehen. Dieses Problem betrifft nur Bürgerbegehren, die gegen Beschlüsse der Gemeindevertretung gerichtet sind. Wie weiter oben dargelegt, sollte es Fristen geben, innerhalb derer solche Bürgerbegehren erfolgen müssen. Es sollte deshalb die Einleitung eines Bürgerbegehrens anzeigepflichtig sein und im Gegenzug könnte m.E. für den restlichen Zeitraum der Frist eine Vollzugssperre bestehen. Nicht betroffen hiervon sind auf den ersten Blick Bürgerbegehren, mit der kein Beschluss der Gemeindevertretung aufgehoben werden, sondern mit dem die Gemeinde zu etwas verpflichtet werden soll. Aber auch hier wäre es sinnvoll das Bürgerbegehren anzuzeigen, damit ab diesem Zeitpunkt eine Frist zur Umsetzung läuft, innerhalb derer die Gemeinde nichts Gegenteiliges beschließen darf.

Gleichberechtigte Information zum Bürgerentscheid

Um eine kompetente Entscheidung treffen zu können, müssen die Bürger gut informiert sein. Mit der Abstimmungsbenachrichtigung sollen die Stimmberechtigten eine Information erhalten, in der der Abstimmungsgegenstand sowie die Standpunkte und Begründungen der Gemeindevertretung und der Vertreter des Bürgerbegehrens in gleichem Umfang dargelegt werden.

Dem stimme ich zu.

Abstimmungshürde abschaffen

In den meisten Bundesländern reicht bei einem Bürgerentscheid nicht die Mehrheit der Abstimmenden für dessen Gültigkeit. Die Abstimmungsmehrheit muss oft auch gleichzeitig einen bestimmten Prozentsatz aller Stimmberechtigten ausmachen. Dies ist ein Verstoß gegen das bewährte demokratische Prinzip „Mehrheit entscheidet“. Wer an einem Bürgerentscheid nicht teilnimmt, sollte auch keinen Einfluss auf dessen Ausgang haben. Wir wollen deshalb, dass Abstimmungsquoren abgeschafft werden.

Richtig, dies ist ein demokratisches Prinzip. Trotzdem stellt sich die Frage, ob bei jeder noch so geringen Beteiligung der Bürgerentscheid Gültigkeit haben soll. Es wäre deshalb denkbar, dass es nicht darauf ankommt, dass ein bestimmter Prozentsatz aller Stimmberechtigten zustimmt, sondern darauf, dass sich ein bestimmter Prozentsatz aller Stimmberechtigten insgesamt beteiligt.