Sexistische Werbung in Berlin-Kreuzberg, wieder einmal

JörgBrinckheger / pixelio.de

Mit den Versuchen in Berlin-Friedrichshain (Kreuzberg) sexistische Werbung zu verbieten habe ich mich bereits im März 2014 beschäftigt.

Historie

Lassen Sie mich zunächst die wichtigsten Punkte des damaligen Artikels wiederholen:

Das Bezirksparlament von Friedrichshain-Kreuzberg hatte damals beschlossen, dass „die Präsentation von diskriminierender, frauenfeindlicher und sexistischer Außenwerbung auf bezirkseigenen Flächen nicht mehr zulässig ist“.

Es sollte ein Beschwerdeverfahren für die Bürger eingerichtet werden.

Als Begründung eines ersten Antrages wurde u.a. folgendes ausgeführt: Eine Werbung kann nur dann legal sein, wenn sie den politischen „Idealen eines emanzipierten, bewussten und nachhaltigen Lebens“ entspricht. Es sollten auf den Kreuzberger Plakatwänden keine Bilder von heterosexuellen (!) Hausfrauen mehr erlaubt sein, denn dies konfrontiere die Menschen mit Rollenklischees. Wenn Mädchen und Frauen Bilder von heterosexuellen Hausfrauen sehen, dann habe dies zur Folge, dass sie „sich selbst nicht außerhalb dieses Rahmens vorstellen können“.

Das erschien wohl selbst den Antragstellern als zu starker Tobak, so dass sie diesen Antrag zurückzogen und leicht umformuliert neu stellten. Die Hausfrauen fielen dadurch raus. Nur deshalb änderte sich weder der Inhalt noch die dahinterstehende Ideologie.

Jedenfalls beschloss die Bezirksverordnetenversammlung mit der Mehrheit von Grünen, Linken, SPD und Piraten, dass sexistische Werbung auf Flächen, die dem Bezirk gehören nicht mehr erscheinen darf.

Eine damals von den Grünen geforderte Werbewatchgroup gibt es wohl bis heute nicht. Zumindest wurde ich auf der Suche nach einer solchen in Berlin nicht fündig.

Neues

Es scheint wohl so zu sein, dass auf den Flächen des Bezirks tatsächlich keine sexistische Werbung i.S. des Bezirks mehr erscheint.

Aber es ist der Mehrheit in der Bezirksversammlung offensichtlich ein Dorn im Auge, dass man die privaten Flächen nicht kontrollieren kann. Und deshalb musste ein Weg gefunden werden auch diese zu überwachen.

Dafür will man nun die Bürger einspannen.

Der Bezirk erstellte einen Leitfaden mit dem schönen Titel „SEXISM SHOULDN’T SELL“. Nur am Rande darf ich auf die ständigen Anglizismen hinweisen, aber der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat eben Weltformat oder versucht zumindest die Welt zu verbessern. Na gut, da haben sich schon andere in Berlin verhoben. Aber zurück zum Thema.

Zugleich hat man eine Rote Karte entworfen. Diese enthält u.a. folgenden Text:

„Sie haben gerade mit Ihrer sexistischen, diskriminierenden und frauenfeindlichen Werbung eine Kundin verloren.. . . und Sie wissen: Eine Kundin zieht 10 weitere nach sich.“

Diese sollen nun Bürger ausfüllen und an das Unternehmen schicken, das mit einem aus Sicht des Bürgers sexistischen Motivs wirbt.

Schließlich gibt es noch einen Aufkleber mit dem ebenso schönen Text „sexism shouldn’t sells“, gehalten in den Farben schwarz und rot sowie einem durchgestrichenen „s“ bei „sells“.

Ich kann Ihnen diese drei Dinge leider nicht direkt verlinken. Sie finden sich als pdf auf dieser Webseite.

Die Bezirksbürgermeisterin findet dies eine tolle Aktion.

Fazit

Was sexistische Werbung ist, ergibt sich, wie sie den obigen Links entnehmen können, aus äußerst schwammigen Definitionen. Diese gehen weit über das hinaus, was das Strafrecht verbietet oder was der Deutsche Werberat zu unterbinden versucht.

Im Endeffekt ist es eine Entscheidung des Einzelnen was er darunter versteht. Aber natürlich kann man damit auch Kampagnen gegen einzelne Unternehmen starten. Manche sprechen von Denunziantentum. Diesem wird damit zumindest Tür und Tor geöffnet.

Aber es ist ja im Dienst einer vermeintlich guten Sache. Wer könnte schon für Sexismus sein oder gegen die Gleichbehandlung von Mann und Frau und sonstigen Geschlechtern.

Positiv könnte man sehen, dass auch Männer davon betroffen sind. Wahrscheinlich könnte man eine Rote Karte schicken, wenn mal wieder aufdringlich photogeshoppte Sixpacks an einem Männerkörper abgebildet werden.

Mann muss dann nicht mehr traurig auf seinen Bierbauch blicken, sondern kann sich gegen derartige Zumutungen zur Wehr setzen.

Aber was bedeuten solche Aktionen?

Einzelne Postkarten wandern doch allenfalls in den Papierkorb. Bleiben Kampagnen. Große Konzerne juckt das nicht, kleine Firmen kann man damit in den Ruin treiben.

Aber wahrscheinlich wird man über kurz oder lang feststellen, dass in der heutigen Zeit sich niemand mit Postkarten aufhalten will, für die er auch noch Porto bezahlen muss. Und dann?

Richtet man, wie es viele NGOs heute machen, dann staatlicherseits eine Möglichkeit zum automatischen Versand von Emails ein. Darf dann jeder eine Nachricht an jedes beliebige Unternehmen verschicken? Oder trifft der Bezirk Friedrichshain eine Vorauswahl welche Unternehmen man in den Senkel stellt?

Fragen über Fragen.

Und schlussendlich bleiben wieder nur frustrierte Bürger zurück, weil man mit solchen Aktionen zwar den Volkszorn hervorruft, aber nicht wirklich etwas erreicht.

Was mir weiter Sorgen macht, ist das Menschenbild, das hinter dieser Aktion steht. Und dass verschieden Dinge durcheinandergeworfen werden.

So wird in dem oben genannten Handlungsleitfaden des Bezirks u.a. ausgeführt:

„… Sexistische, frauenfeindliche und diskriminierende Werbebotschaften werden über wiederholtes und unreflektiertes Lernen Teil unseres Selbst- und Weltbildes und damit auch unseres sozialen Verhaltens. …

Die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen ist davon in besonders starker Weise beeinflusst. Kinder und Jugendliche lernen über den (unbegleiteten und unreflektierten) Medienkonsum, der von der Werbewirtschaft gezielt genutzt wird, welche Rollenzuschreibungen an ihr jeweiliges soziales und biologisches Geschlecht gebunden sind. In den allermeisten Fällen reproduzieren die Mädchen und Jungen die Werte und Normen, mit denen sie permanent konfrontiert sind.“

Mit Verlaub das ist Unsinn. Kinder und Jugendliche werden nur von Werbung beeinflusst? Eltern und Schule haben keinen Einfluss?

Es betrachtet doch niemand eine Frau als allzeit verfügbar, weil er eine Werbung sieht. Dieses Denken ist allenfalls durch Erziehung und fehlendem Unterricht in der Schule angelegt.

Dort wäre der Hebel anzusetzen, um solches Verhalten zurückzudrängen. Aber dafür müsste man ja u.a. die Schulen und Kindergärten so ausstatten, dass sie ihrem Bildungsauftrag auch nachkommen können. Bekanntlich liegt dies gerade in Berlin im Argen. Da müsste man sich richtig Gedanken machen statt plakative Aktionen zu starten. Man käme natürlich nicht bundesweit in alle Gazetten, vielleicht noch nicht mal in diesen Blog.

Aber mit solchen Schaumschlägeraktionen wird man Diskriminierung von Frauen nicht beenden.

Und noch ein letztes: Nach diesem Menschenbild sind wir alle Opfer der Werbung, oder wollen wir es nicht lieber offen sagen, des bösen Kapitalismus. Als ob keiner seinen Kopf hätte, um selbst zu denken.

Aber vielleicht wollen die Initiatoren gerade nicht, dass wir selbst denken.