LuxLeaks – Whistleblower bestraft

Europäisches Parlament rakoellner / pixelio.de

Europäisches Parlament rakoellner / pixelio.de

Über den Skandal um die geheimen Steuerdeals in Luxemburg habe ich bereits im Jahre 2014 berichtet. Über die Anklagen gegen zwei Whistleblower und einen Journalisten im Januar diesen Jahres.

Am 29.06.2016 wurden beide Whistleblower zu Haft- und Geldstrafen verurteilt, der Journalist freigesprochen.

Was war passiert?

In Luxemburg wurden Steuerkonstruktionen für multinationale Unternehmen abgesegnet, die dazu führten, dass die Steuerlast teilweise weniger als 1 Prozent betrug. Beispiele habe ich bereits im Jahre 2014 berichtet. 

Die von ehemaligen Mitarbeitern der Wirtschaftsprüfungsfirma PwC geleakten Dokumente, mehrere Zehntausend, wurden von 60 Journalisten des ICIJ (Consortium of Investigative Journalists) ausgewertet. Es gab weltweit zahllose Veröffentlichungen.

Europäisches Parlament

Das Europäische Parlament setzte einen Sonderausschuss, TAXE 1, ein.

Dieser verabschiedete im November 2015 einen Bericht. Danach zahlten die meisten internationalen Konzerne in der EU weniger als fünf Prozent Steuern auf ihre Gewinne, selbst in Ländern, in denen der normale Steuersatz bei 30 % liegt. Highlight war wohl der Medienkonzern Disney, der im Jahre 2014 trotz eines Milliardengewinns lediglich 0,3 % Steuern entrichtete.

Das EU-Parlament forderte ein härteres Durchgreifen gegen derartige Konstrukte. So verlangte es u.a. eine gemeinsame Bemessungsgrundlage für die Körperschaftssteuer und mehr Transparenz bei den bis dahin geheimen Vereinbarungen zwischen EU-Ländern und multinationalen Unternehmen.

Dabei konnte der Ausschuss viele Dokumente bis dahin gar nicht einsehen, weil die Kommission mauerte. Offen blieb die Frage der politischen Verantwortung. Hiervon wäre wohl insbesondere Herr Juncker, Vorsitzender der EU-Kommission und zuvor Ministerpräsident  in Luxemburg,  betroffen gewesen.

Der Bericht besteht aus mehr als 176 Einzelpunkten, die hier nicht im Einzelnen referiert werden können. Aber u.a. verurteilt er die Nichtvorlage von angeforderten Dokumenten und thematisiert die Frage, ob mit solchen Konstruktionen nicht gegen das Beihilferecht der EU verstoßen wurde.

Nach heftigem Streit ist dann eine Fortsetzung des Ausschusses, TAXE 2, beschlossen worden.

Nahezu zeitgleich mit dem Urteil gegen die Whistleblower in Luxemburg hat der Ausschuss TAXE 2 jetzt einen Bericht vorgelegt, der einen Entwurf für eine Entschließung des Europäischen Parlaments enthält.

Der Ausschuss fordert u.a.

  • eine schwarze Liste der Steuerparadiese von der Kommission,
  • von den Mitgliedstaaten Strafen gegen Manager, die in Steuerhinterziehung verwickelt sind,
  • Regelungen für sog. Transferpreise,
  • besseren Schutz für Whistleblower,
  • eine Regelung, die dafür Sorge trägt, dass in der EU erzielte Gewinne auch hier versteuert werden,
  • Verhaltensregeln für Banken, Steuerberater, Rechtsanwälte und Beratungsfirmen.

Diesen Entwurf hat das Europäische Parlament am 06.07.2016 mit wenigen Änderungen verabschiedet. 514 Abgeordnete votierten dafür, 68 dagegen. Herr Theurer, einer der beiden Berichterstatter im Ausschuss sagte u.a.:

„… In einem fairen Steuersystem müssen auch international tätige Großkonzerne Steuern zahlen, und zwar dort, wo Wertschöpfung und Gewinne entstehen. Steuerdumping geht massiv zu Lasten der Allgemeinheit und benachteiligt den Mittelstand, das Rückgrat unserer europäischen Volkswirtschaft. Im Binnenmarkt mit der Freiheit des Kapitalverkehrs sind Rahmenregeln notwendig, die fairen Wettbewerb garantieren im Sinne der sozialen Marktwirtschaft….“

Urteil im Strafprozess

In Luxemburg wurde Anklage erhoben gegen zwei Whistleblower, ehemalige Mitarbeiter der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC, welche federführend die Konstruktionen ersonnen hatte. Zugleich erhob man Anklage gegen einen französischen Journalisten.

Hauptangeklagter war Herr Antoine Deltour. Weiter wurde Anklage gegen einen weiteren ehemaligen Mitarbeiter von PwC, Herrn Raphael H. erhoben und gegen den Journalisten Edouard Perrin.

Die beiden Whistleblower wurden des Diebstahls, des illegalen Zugriffs auf ein Computersystem, der Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen, des Bruchs der beruflichen Schweigepflicht und des Besitzes von gestohlenen Dokumenten beschuldigt. Dem Journalisten warf man vor, die Dokumente veröffentlicht zu haben.

Herr Deltour erhielt nun zwölf Monate Haft auf Bewährung und eine Geldbuße von 1.500 EURO. Er wurde vom Bezirksgericht Luxemburg für schuldig befunden, rund 45.000 Seiten Dokumente über Steuervereinbarungen großer Konzerne in die Öffentlichkeit gebracht zu haben.

Herr Raphael H. bekam eine Bewährungsstrafe von neun Monaten und eine Geldbuße von 1.000 EURO. Der Journalist wurde freigesprochen. Die Verteidigung hatte Freisprüche für alle drei Angeklagten verlangt.

Interessant ist, dass PwC als Nebenkläger auftrat. Dieser wurde ein Schadensersatz von einem EURO zugesprochen. Mehr hatte PwC auch nicht verlangt. Ob man da falsch liegt, wenn man darüber nachdenkt, dass PwC vielleicht kein Interesse an einer detaillierten Aufarbeitung hatte? PwC wollte vor Gericht lediglich seine Eigenschaft als Opfer anerkannt sehen.

Reaktionen auf den Prozess

Diese verwundern. Kaum jemand, der eine harte Bestrafung forderte.

Der Anwalt von Herrn Deltour spricht von einer Schizophrenie im politischen Bereich. So erhielt Herr Deltour  2015 nicht nur den European Citizen’s Prize, sondern wurde auch vom Europäischen Parlament und dem in Folge seiner Enthüllungen eingesetzten Sonderausschuss als Whistleblower anerkannt. Selbst Herr Juncker meinte Herr Deltour habe in moralisch verantwortungsvoller Weise gehandelt und es sei keine gute Wahl, ihn strafrechtlich zu verfolgen.

Der oben bereits zitierte MdEP, Herr Theurer, sagte folgendes:

„Ohne mutige Whistleblower und Journalisten wie Deltour und Perrin wären die Steuervermeidungsmodelle nie ans Tageslicht gekommen. Mit solchen können international agierende Großkonzerne ihre Steuerlast auf unter ein Prozent drücken. Diese Art der aggressiven Steuerplanung bedeutet jährliche Verluste für die Allgemeinheit in Milliardenhöhe. Wir haben es dieser Zivilcourage zu verdanken, dass wir auf europäischer Ebene öffentlichen Druck aufbauen konnten. Nur so sind wir auf dem Weg zu gesetzlichen Vorschriften für fairen Steuerwettbewerb. Dieser Mut hätte belohnt und nicht bestraft werden müssen! Deshalb habe ich als Berichterstatter auch immer den Schutz von Whistleblowern gefordert. Im Abschlussbericht des Steuer-Sonderausschusses TAXE II, der nächste Woche im Parlamentsplenum abgestimmt wird, fordere ich erneut EU-Gesetzgebung zum Schutz von Whistleblowern.“

Fazit

Trotzdem kam es zu der Verurteilung durch die luxemburgische Justiz. Ist es böse, wenn man darüber nachdenkt, dass trotz aller Sympathiebekundungen zumindest einige nicht traurig waren, dass die Whistleblower verurteilt wurden? Dies könnte doch den einen oder anderen in der Zukunft abschrecken derartige Praktiken ans Licht zu bringen.

Aber wie sonst könnte deren Illegalität festgestellt werden? Interne Versuche von Herrn Deltour bei PwC wurden damit beschieden, dass diese Vereinbarungen nicht nur legal, sondern auch die wirtschaftliche Grundlage des Unternehmens seien.

Interessant der Befund, dass die zweifelhaften Steuerpraktiken nur im Verbund mit den Nationalstaaten erfolgen konnten und erst das Europäische Parlament sich für die Aufklärung einsetzte. Welche anarchischen Zustände gäbe es wohl ohne die EU?

Es erscheint  mehr als möglich, dass in diesem Fall, die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zum Schutz von Whistleblowern aufgestellten Kriterien erfüllt sind.

Wie man sieht genügt dies aber nicht. Ein wirksamer Schutz von Whistleblowern vor Strafverfolgung ist vordringlich.

Schauen wir mal, was die Rechtsmittel, die gegen das Urteil eingelegt werden, erbringen.

Und schauen wir weiter wie die Kommission und die Mitgliedstaaten die Beschlüsse des Parlaments umsetzen.

Ich werde dies weiter verfolgen und hier berichten.