Avaaz, Campact, Change.org und Co – Petitionen als Datensammler

Thorben Wengert  / pixelio.de

Thorben Wengert / pixelio.de

Ständig stolpert man im Internet über Petitionen, die man unterschreiben soll und ständig finden sich Aufforderungen zur Unterschrift in den eingehenden Mails. Haben Sie sich schon mal Gedanken gemacht, was mit Ihren Daten geschieht und weshalb Sie immer wieder Aufforderungen zur Unterschrift erhalten, wenn Sie einmal unterzeichnet haben?

Wie finden Sie es, dass diese Petitionen-Industrie Ihre Daten sammelt?

Auch ich habe mal bei Avaaz und change.org Petitionen unterschrieben. Zunächst habe ich mir nichts dabei gedacht. Ist ja schließlich nett, wenn man für wert befunden wird zu helfen die Welt zu retten.

Aufmerksam wurde ich im Juni dieses Jahres. Da erhielt ich von einem Herrn Danny Auron von Avaaz eine Mail, die wie folgt begann:

„Hallo – es scheint, als hätten Sie unsere erste Email zur Rettung der Elefanten nicht gesehen. Über 20.000 Avaaz-Mitglieder haben bereits Spenden zugesagt. Helfen Sie, das zu verdoppeln und die größten Elfenbeinmärkte der Welt in Angriff zu nehmen….“

Upps, da hat doch einer geprüft, ob und ggf. wie ich auf seine Mail reagiert habe und er hat festgestellt, dass ich noch nicht gespendet habe. Ja diese Art der Kontrolle kommt mir irgendwie bekannt vor. Aber bei mir funktionierte der Versuch mir ein schlechtes Gewissen zu machen, nicht. Ich fand es eher unziemlich nun in den Tiefen der Computer von Avaaz als Verweigerer der guten Sache gespeichert zu sein. Nicht, dass man mir irgendwann versucht einen Schandhut aufzusetzen.

Ich habe deshalb am 25.06. dieses Jahres wie folgt zurückgemailt:

„Hallo Herr Auron,

der erste Satz Ihrer Mail irritiert mich. Führen Sie Listen wer spendet und wer nicht spendet?

Ich wäre für eine klare Antwort dankbar.

Beste Grüße
Dieter Scholl“

Nun ja, nach über zwei Monaten habe ich noch immer keine Antwort erhalten. Dafür bekomme ich fröhlich weitere Mails zur Unterzeichnung von Petitionen.

Fakt ist jedenfalls, dass Avaaz das Verhalten der angeschriebenen Personen überprüft und offensichtlich speichert. Wie sonst hätte es zur oben genannten Mail an mich kommen können? Und wie jeder sonstige gute Großkonzern bzw. Lobbyist antwortet Avaaz erst mal nicht auf Fragen. Bürger, die mitdenken sind halt lästig.

In den Stuttgarter Nachrichten finde ich dieser Tage einen schönen Artikel über ähnliche Methoden bei Campact. Campact beschreibt sich selbst wie folgt:

„Campact ist eine Bürgerbewegung, mit der 1,7 Millionen Menschen für progressive Politik streiten…“

1,7 Mio. Menschen, an anderer Stelle auf der Webseite steht die Zahl 1.672.406 (diese Zahl verändert sich ständig, so auch während des Schreibens des Artikels), streiten bei Campact. Wie kommen diese Menschen zu Campact? Nun ja, es sind keine Mitglieder, es sind Mail-Adressen.

Campact selbst ist ein Verein und hat bereits nach § 4 der Satzung maximal 12 Mitglieder. Diese rekrutieren sich aus den Förderern des Vereins, aus den Mitarbeitern und sonstigen Menschen. Die dritte Gruppe wird vom Vorstand benannt. Näheres zur Wahl der Fördermitglieder regelt die Wahlordnung zur Wahl der Förderervertreter/innen in die Mitgliederversammlung von Campact e.V. Die Wahlordnung wird von der Mitgliederversammlung beschlossen.

Laut Campact-Report 2015 hat Campact mit Stand Juli 2015 41.000 Förderer. Diesem Bericht ist auch zu entnehmen, dass die vorgenannten Fördermitglieder auf einer sog. Ideenwerkstatt gewählt werden.

Auf der Webseite selbst kommt das Wort Ideenwerkstatt kaum vor, schon gar nicht in der Menüstruktur am rechten Rand. Lediglich im Förderungserklärung findet sich ein Hinweis, dass man zu einer solchen Veranstaltung eingeladen wird, allerdings ohne näheren Hinweis, um was es dabei geht. Die Wahlordnung zur Wahl der Fördervertreter habe ich auf der Webseite nicht gefunden. Da es keine Suchfunktion (oder ist diese auch versteckt?) auf der Webseite gibt, kann es natürlich sein, dass diese irgendwo versteckt sein mag.

Aber Transparenz sieht anders aus.

Hierzu passt was die Stuttgarter Nachrichten über Campact schreiben. Danach könnten die Methoden, die Campact beim Sammeln von Daten verwendet evtl. rechtswidrig sein.

Gegenwärtig werden Unterstützer für eine Resolution mit dem Titel „Schluss mit dem Hass“ gesucht mit der Aufforderung „Stellen Sie sich dem Rassismus entgegen und unterzeichnen den Appell“. Dazu muss lediglich ein Formular im Netz ausgefüllt werden, mit Vorname, Name, Postleitzahl und Mail-Adresse. Dann noch ein Klick mit der Maus und der Mensch vor dem Bildschirm hat etwas für die Besserung der Welt getan.

Unter diesen Daten findet sich ein Kästchen, hinter dem folgender Text steht:

„Bitte informieren Sie mich über den Fortgang dieser und weiterer Aktionen.“

Interessanterweise ist in diesem Kästchen bereits ein Haken gesetzt. Wenn die böse Wirtschaft mit voreingestellten Haken arbeitet gibt es große Aufregung und wird zu Recht moniert, dass dies schwerlich mit Verbraucher- und Datenschutz harmoniert.

Die Stuttgarter Nachrichten schreiben dazu: „…. Wenn man so will, ist diese Methode des Sammelns von Mailadressen das Geschäftsmodell von Campact. …“

Campact ist der Auffassung, dass „eine Aktionsteilnahme über die Campact-Seite nicht dem deutschen Datenschutzrecht widerspricht“.

Die Stuttgarter Nachrichten zitieren Campact weiter mit der Aussage, Paragraphen des Bundesdatenschutzgesetzes, die dem Vorgehen von Campact widersprechen könnten „sind bei unseren Aktionsseiten nicht zur Anwendung zu bringen.“

Ja was heißt das denn? Fühlt Campact sich vom Bundesdatenschutzgesetz befreit, weil es gute Dinge für die Welt tut? Oder weshalb drückt man sich so verschwurbelt aus?

Gegenwärtig beschäftigt sich laut Stuttgarter Nachrichten die Beauftragte für den Datenschutz in Niedersachsen, Frau Thiel, mit dieser Frage. Ein Sprecher der Behörde sagte demnach:

„Politische Meinungen gehören gemäß Bundesdatenschutzgesetz zu den besonderen Arten personenbezogener Daten und dürfen deshalb ohne ausdrückliche Einwilligung, die sich auch ausdrücklich auf diese Daten beziehen muss, nicht erhoben, verarbeitet oder genutzt werden.“

Campact wurde von der Datenschützerin um eine Stellungnahme gebeten. Sollte Campact dieses Verhalten untersagt werden, so wird dies auch für zahlreiche andere NGOs (Nichtregierungsorganisationen) erhebliche Konsequenzen haben. Viele von Ihnen arbeiten mit dieser Methode.

Aber unabhängig von der juristischen Bewertung ist dieses Verhalten schlicht unanständig und widerspricht dem ethischen Anspruch der NGOs.

Und es zeigt, dass sie ihre Agenda nicht anders verfolgen als die von ihnen immer kritisierten Lobbyverbände. Ob die Meinungsbildung innerhalb dieser Organisationen immer guter demokratischer Praxis entspricht, die sie von anderen fordern, erscheint durchaus zweifelhaft und sollte einer näheren Prüfung unterzogen werden. Nicht zuletzt geht es dabei auch um die Frage des Status der Gemeinnützigkeit.