Die neue Rechte, leider kein Phantom, sondern Realität

Lothar Henke  / pixelio.de

Lothar Henke / pixelio.de

Das neue Buch von Frau Bednarz und Herrn Giesa trägt den Titel „Gefährliche Bürger“ und erscheint zu einem Zeitpunkt in dem wir täglich von Angriffen auf Unterkünfte von Flüchtlingen lesen und hören müssen. Die Autoren haben ihre Recherchen schon lange vorher begonnen.

Sie belegen ihre Aussagen in mehr als 300 Fußnoten. Das opulente Literatur- und Quellenverzeichnis umfasst 11 Seiten.

Sie berichten von Versuchen, rechtes Gedankengut in die bürgerliche Mitte der Gesellschaft zu tragen. Nach ihrer Auffassung geht es dabei um die Rückabwicklung der Moderne, der Aufklärung. Sie beschreiben den Versuch die offene Gesellschaft zu diskreditieren, insbesondere den Liberalismus. Mit Verblüffung darf man lesen wie nahe sich Rechte und Linke in ihren Zielen und Methoden sind. Und sie versuchen zu beschreiben wie man diesem Spuk ein Ende machen kann.

Es geht um Angriffe auf die gegenwärtige liberale und freiheitliche Gesellschaftsordnung. Um den Hass der täglich öffentlich vor Flüchtlingsheimen oder bei sog. Spaziergängen ausgelebt wird. Einen Hass, der „keinen Kompromiss, keine Zweifel, keine Rücksicht“ kennt, der sich gegen alles richtet was unsere Gesellschaft lebenswert macht.

Ja, es ist erschreckend wie die Fäkalsprache eines Herrn Pirinçci bis in bürgerliche Kreise gefeiert wird. Wie Kampfbegriffe wie „EUdSSR“ für Europa oder „Volkskammer“ für den Bundestag selbstverständlich auch in angeblich liberalen Foren z.B. auf Facebook benutzt werden. Oder wie das Russland eines Herrn Putin immer wieder als Vorbild gepriesen wird.

Es ist durchaus nachvollziehbar, wenn die Autoren davon sprechen, dass der vermeintliche Bildungsbürger zum „realen Primitivbürger“ mutiert: „missionarisch und dogmatisch wie die Grünen in ihren Anfangstagen, sprachlich auf dem Niveau herumgrölender Straßenpunks“.

Immer wieder fällt die Ähnlichkeit zu Linksextremen auf wie z.B. beim Hass auf staatliche Institutionen, den die Linksextremen einen „Schweinestaat“ genannt haben. Dabei hatte ich, der ich mich in meinem Blog schon mehrfach mit Linksextremismus befasst habe, einige Déjà-vus.

Schön herausgearbeitet wird, wie es zum Hass gegen alles Fremde und gegen den Staat kommt, dass dieser Hass keine Zweifel, keine Reflektion kennt.

Sehr gelungen sind die historischen Passagen des Buches. Es wird dargestellt wie bereits die sog. „Konservative Revolution“ in Weimar anitliberal und antidemokratisch auftrat. Sie zitieren u.a. die Herren Moeller van den Bruck, Edgar Jung oder Carl Schmitt.

Und sie machen eindeutig klar, dass es sich bei den neuen Rechten, die sich dort bedienen, „nicht um Wiedergänger der Nazis“ handelt.

Viele Liberale, die glauben bei der AfD oder Pegida Freunde im Geiste zu finden sollten sich mal anschauen, was diese Konservativen über Liberale von sich geben. So z.B. Alexander Gauland, stellvertretender Vorsitzender der AfD: „… zwei kulturelle Milieus zu tun haben, einem liberal individualistischen, … und einem wertkonservativen …, also nicht mehr das bürgerliche Lager gegen die Sozialdemokratie, sondern Konservative versus Liberale in allen Parteien… „.

Andere bezeichnen die Liberalen als „Feind Nr. 1“, denn mit einem Liberalen könne es keine Verständigung geben, anders als mit einem Linken. Der Liberalismus gilt als „Hauptfeind“, denn er sei das „schädlichste und anfechtbarste System“. Dieser sei eine „Gesinnung der Gesinnungslosigkeit“. Ja, „…dass alle gründlich denkenden Linken … und Rechten heute einen gemeinsamen Feind ausmachen können…“.

Erfreulich klar sind auch die Passagen, in denen erklärt wird wie sich die neuen Rechten ständig als Opfer inszenieren, wie sie von „Sprechverboten“ und „Tabus“ schwafeln, obwohl sie durch alle Talkshows tingeln und Millionenerlöse mit ihren Büchern erzielen. Und wie diese in Wirklichkeit andere Ansichten und Denkweisen verbieten möchten, aber gleichzeitig damit liebäugeln, sich auf das Widerstandsrecht des Grundgesetzes zu berufen.

Erläutert wird dies unter anderem am Begriff des „Gutmenschen“, dessen ursprünglicher Inhalt pervertiert wurde. Oder dem Begriff der Freiheit, der vor allem als Freiheit zur Diskriminierung statt als Freiheit von Diskriminierung aufgefasst wird.

Beschrieben wird wie auch ohne Präsenz in Parlamenten die gesellschaftliche Atmosphäre vergiftet werden kann, wie sprachliche Tarnstrategien zur Verschleierung der wirklichen Ziele funktionieren.

Längere Passagen sind den Reichsbürgern oder den Impfgegnern gewidmet. Da habe selbst ich noch etwas dazu gelernt.

Nicht zuletzt mittels des Internets, z.B. Facebook, wird das Gedankengut unter die Menschen gebracht. Es werden damit Kreise erreicht, die man mit den eigenen Publikationen sonst nicht bekommt.

Eine vertiefte Lektüre, auch der Fußnoten, sind die Passagen über die Medien der neuen Rechten wie z.B. Sezession, eigentümlich frei, Junge Freiheit, Compact bis hin zu RTDeutsch wert. Nicht unterschlagen werden auch Herr Todenhöfer oder diverse Hetzseiten im Internet.

Hier werden sicher jetzt einige wieder ihrem Beißreflex frönen, aber denen rate ich zu sehen wie sich die eine oder andere dieser Publikationen mit den Jahren veränderte. Dies gilt nicht zuletzt auch für den Autorenblog Die Achse des Guten, bei dem einer der Mitgründer, Herr Miersch, inzwischen ausgestiegen ist.

Beachtung finden Journalisten renommierter Medien, wie Herr KIssler vom Cicero, Herr Klonovsky vom Focus oder Herr Mattusek von der Welt (früher beim SPIEGEL).

In diesem Zusammenhang werden radikale Christen ebenfalls nicht geschont. Nicht zuletzt wird die Doppelmoral der Verteidiger des Bischofes Tebartz-van Elst thematisiert. Schön fand ich die wohlbegründete Formulierung, dass die radikalen Christen „sich mit theologischen Fragen nicht allzu gut “ auskennen. Ich darf ergänzen, dass sie sich da irgendwie mit den Islamisten treffen.

Leider beschäftigen sich die Autoren in diesem Zusammenhang vor allem mit Vertretern des Katholizismus. Ich hätte mir da noch etwas zu den Evangelikalen oder dem neuen evangelischen Landesbischof in Sachsen gewünscht.

Ein Kapitel befasst sich damit wie man mit dem Schüren von Angst Geld verdient, es geht um Crash-Propheten, Untergangszenarien und wie man mit Gold sein Vermögen in Sicherheit bringen kann. Angerissen werden Verbindungen zwischen den Akteuren. Es könnte interessant sein, dem weiter nachzugehen.

Als Brückenbauer zwischen den neuen Rechten und der Mitte der Gesellschaft werden die AfD und Pegida in einem weiteren Kapitel behandelt. Für mich neu war die „Patriotische Plattform“, ein Zusammenschluss von Mitgliedern der AfD (die Namensähnlichkeit zur kommunistischen Plattform von Frau Wagenknecht mag ja ein nicht gewollter Zufall sein).

Man merkt dem Buch an, dass sich dessen Abschluss und die Turbulenzen um den Austritt von Herrn Lucke aus der AfD gekreuzt haben (so wird Frau Petry, die heutige Vorsitzende der AfD als sächsische AfD-Chefin genannt). Aber trotzdem sind die heutigen Wortführer ausführlich beschrieben, nicht zuletzt deren Gedanken einer zumindest punktuellen Zusammenarbeit mit der Partei Die Linke.

Und es ist auch im Rückblick nochmals erschreckend wie Pegida nicht nur von der AfD hofiert wurde. Die Verirrungen des einen oder anderen hat man weggelassen. Na ja, jeder hat das Recht dazuzulernen, sollte dies dann aber auch öffentlich kommunizieren, insbesondere wenn er ein Liberaler ist.

Der letzte Teil des Buches befasst sich damit wie man sich gegen diese Einflüsse zur Wehr setzen kann.

Die Autoren benennen drei Strategien „Gegenhalten, Grenzen setzen, Tabus verteidigen“. Bevor jetzt gleich aufgeschrien wird bei dem Wort Tabu, sollte man sich erst mal damit auseinandersetzen wie die Autoren dies meinen.

Die Autoren zerlegen zunächst mal den Begriff des „Volkswillen“. Wie zu Recht geschrieben wird ist, dieser in einer Demokratie ohne Sinn, weil jeder die Freiheit zu seiner eigenen Meinung hat, es mithin keinen einheitlichen Willen geben kann. Oder um es anders zu sagen, in einer liberalen Demokratie gibt es keinen Einheitswillen. Einige in der AfD, wie Herr Professor Vaubel, denken vielleicht deshalb darüber nach wie man die Leistungseliten vor der „Tyrannei der Mehrheit“ schützen kann.

Hiergegen zu argumentieren sollte niemandem schwer fallen. Eine liberale Gesellschaftsordnung lebt nun mal von der Diskussion und davon, dass man andere überzeugen muss, nicht von dogmatischen Vorgaben.

Die Autoren stellen die Argumentation auch für weitere Punkte dar, wie z.B. dass die USA an allem schuld seien, so wie es nach dem ersten Weltkrieg Frankreich war. Sie schreiben auch dazu, dass in Deutschland angeblich eine Einheitspartei im Bundestag regiere oder dazu, dass Deutschland immer unterdrückt, geknechtet und ausgebeutet würde.

Sie beschreiben wie Journalisten mit der Flut von Hassmails umgehen, die sie erhalten, wie zurückgetrollt wird, z.B. auf der Facebook-Seite „Fans des gleichgeschaltet-ironischen Journalistenzirkel“.

Natürlich betonen sie die Notwendigkeit der Zivilcourage. Dem „man wird ja wohl noch sagen dürfen“ schleudern sie ein „nein, darf man nicht“ entgegen. Es geht ihnen dabei um Aussagen wie „alle Neger stinken“ oder „Rumänen alle klauen“.

Dies ist es was sie mit Tabus meinen. Und dies gilt auch für die Fäkalsprache eines Herrn Pirinçci. Schön ist, dass die neuen Rechten ja durchaus Tabus wollen. Auch dies kann man deren Anhängern unter die Nase reiben.

Ja, „die Wehrhaftigkeit einer Demokratie die nicht zum Polizeistaat verkommen will, lebt immer in erster Linie von der Wehrhaftigkeit ihrer Bürger“. Und man sollte Toleranz nicht mit einer „Pseudoneutralität“ verwechseln.

Denn diese neue Rechte will keine Freiheit, keinen Dialog. Sie will bestimmen was der Volkswille ist, sie will festlegen wie jeder zu leben hat. Und dies ist mit einer freiheitlichen liberalen Demokratie nicht vereinbar.

Und deshalb kommt das Buch von Liane Bednarz und Christoph Giesa gerade zur richtigen Zeit.

 

Besprechung des Buches von

Liane Bednarz/Christoph Giesa, Gefährliche Bürger, Die neue Rechte greift nach der Mitte, Hanser, 2015, im Handel ab dem 24.08.2015