Nur Kinder reicher Eltern sind begabt? Eine Polemik!

So könnte man meinen, wenn man einen Artikel von letzter Woche auf SPIEGEL Online liest.

Es kommt nur noch selten vor, dass mich Wut und Zorn packen, wenn ich Unsinn lese, eigentlich bin ich aus diesem Alter raus. Aber von diesem Kommentar, auf einer ansonsten von mir durchaus geschätzten Nachrichtenseite im Internet, lasse ich mich gerne zu einer wüsten Polemik hinreißen.

Was sagt der Artikel?

„Jetzt sollen mal die Besten dran sein: Schulpolitiker wollen die Begabtenförderung ausbauen – und damit die unterstützen, die es am wenigsten brauchen. …

Dass die Spitze im Bildungssystem bisher zu kurz käme, ist ohnehin ein Mythos. Gut 7100 Euro jährlich investiert der Staat in einen Gymnasiasten, einen Realschüler lässt er sich dagegen 5600 Euro kosten. Lehrer am Gymnasium verdienen mehr als ihre Kollegen an anderen Schulen, weil ihnen die verheißungsvollere Klientel anvertraut ist. Viel Geld geht an vermeintliche Elite-Studenten, das Stipendienwesen wurde massiv ausgebaut. …

Kinder aus privilegierten Familien profitieren praktisch immer überdurchschnittlich von der Begabtenförderung. Das zeigen bisher nahezu alle Evaluationen. Beispiel Brandenburg: 2007 wurden hier für begabte Schüler an einigen Gymnasien und Gesamtschulen Spezialklassen geschaffen. Knapp 74 Prozent der Jugendlichen dieser Klassen haben Eltern mit Abitur, bei ihren Altersgenossen in den Regelklassen kommen nur 58 Prozent aus Abiturientenfamilien. Für Bayern und Baden-Württemberg stellt eine Studie fest, dass in den Begabtenklassen vor allem Akademikerkinder sitzen. …

Überhaupt stellt sich die Frage: Warum sollte man ausgerechnet diejenigen besonders fördern, die ohnehin schon die besten Voraussetzungen haben? Die aus Familien stammen, die sich locker teuren Geigenunterricht und Sprachreisen für die Kinder leisten können? …

Gut möglich übrigens, dass Begabtenklassen eher schaden als nutzen – und zwar denen, die nicht das Glück haben, in sie aufgenommen zu werden. In den ganz normalen Klassen fehlen den Zurückbleibenden dann nämlich die Mitschüler, von denen sie am meisten lernen können.“

Stellungnahme

Weil es schlechte Schüler gibt sollen also die Hochbegabten ihr Potential nicht entfalten dürfen?

Besonders schön finde ich den letzten Satz, der ja in keinem halbwegs ordentlichen linken Pamphlet zur Bildung fehlen darf. Die Schwachen sollen von den Starken lernen. Ist ja nett gemeint. Aber im Endeffekt führt dies nur dazu, dass die guten Schüler als Hilfslehrer missbraucht werden, damit die Kultusbürokratie Geld einspart.

Wieso sollen diese Schüler die Zeit nicht nutzen dürfen, um ihr Potential auszuschöpfen, um ihr Wissen und ihre Fähigkeiten zu erweitern? Wieso sollen diese bewusst unter ihren Möglichkeiten gehalten werden?

Was berechtigt linke Mainstreamler dazu, zu bestimmen wie viel diese Hochbegabten lernen dürfen? Wo nehmen sie das Recht her zu sagen, diese Menschen sollen ihre Möglichkeiten nicht ausschöpfen dürfen?

Der Autor stützt sich darauf, dass in den Hochbegabtenklassen mehr Akdademikerkinder als Kinder anderer Herkunft seien. Mag so sein.

Aber dies bestätigt allenfalls den Befund, dass die schulische Laufbahn von der Herkunft bestimmt wird. Hierzu gibt es viele Studien und dieser Befund kotzt mich, der ich selbst Arbeiterkind bin, wahrscheinlich noch vielmehr an, als den Autor der Zeilen, mit denen ich mich hier auseinandersetze.

Nur, was hat dieser Befund mit der Hochbegabtenförderung zu tun? Nichts, rein gar nichts.

Wenn die Begabungen nicht richtig erkannt werden, wenn teilweise die Falschen davon profitieren, heißt dies noch lange nicht, dass der Ansatz falsch ist und man am besten keinen Hochbegabten fördert.

Es heißt lediglich, dass die Schule dahin zu ändern ist, dass jedes Kind, unabhängig von seiner Herkunft, die Möglichkeit hat sein ganz eigenes Potential zu entfalten.

Ja, dies ist eine Herkulesaufgabe und es wird zu Streit führen mit vielen Interessengruppen.

Von den linken Maistreamlern, die alle Kinder über einen Kamm scheren wollen, ohne Rücksicht auf deren Individualität. Bis hin zu den Möchte-Gern-Libertären, denen jede staatliche Schulbildung ein Graus ist, die dies alles am liebsten den Eltern in der Zuhause-Schule überlassen würden, egal was aus den Kindern wird. Und die sich dabei mit Gruppierungen wie den Zwölf Stämmen geistig treffen.

Ach ja, merken Sie etwas? Das Ergebnis der linken Maistreamler wird sich in keiner Weise von dem der Möchte-Gern-Libertären unterscheiden, denn bei beiden fallen die Kinder durch den Rost. Es lebe die reine Ideologie!

Und natürlich darf in dem Artikel nicht der Hinweis auf reiche Eltern fehlen. Als ob alle Akademiker und nur diese reich wären, auch dies so ein Mythos.

Was haben die unterschiedlichen Investitionen in verschiedene Schulformen oder die unterschiedliche Bezahlung von Lehrern mit der Hochbegabtenförderung zu tun? Wiederum nichts, aber auch gar nichts.

Dies führt allenfalls zur Konsequenz die Lehrer gleich zu bezahlen, da die Anforderungen in der Grundschule keineswegs geringer sind als am Gymnasium, nur eben anders. Von der Bezahlung in den Kitas will ich gar nicht erst schreiben.

Und was hat Hochbegabtenförderung damit zu tun, dass reiche Eltern ihren Kindern Geigenunterricht oder Sprachreisen finanzieren? Nichts und wieder nichts.

Denn dies heißt noch lange nicht, dass diese Eltern damit die spezielle Begabung ihrer Kinder fördern, wenn dies auch im Einzelfall stimmen kann. Eltern haben keine Möglichkeit der Förderung, wie es z.B. in den Hector Seminaren zu Naturwissenschaften möglich ist. Ganz abgesehen davon, dass dies dann auch den Kindern armer Eltern nicht mehr möglich wäre.

Ja, ich hätte meine Sprachreisen vor gut 30 Jahren parallel zum Studium auch lieber bezahlt bekommen. Da dies nicht möglich war, habe ich diese eben durch Schichtarbeit finanziert. Übrigens ein Grund gegen die Verschulung der Studiengänge zu sein, da diese oft genug dazu keine Zeit mehr lassen. Hierdurch werden Kinder reicher Eltern bevorzugt, aber davon lese ich bei den linken Mainstreamlern nichts.

Die meisten anderen waren dort, in Nizza und bei Monaco, Kinder reicher Eltern. Und ich habe gelernt, dass nicht alles Gold ist was glänzt. Aber dies ist ein anderes Thema.

Ohnehin scheint mir der Autor des Artikels den Besuch des Gymnasiums und reiche Eltern mit dem Vorhandensein von Hochbegabung gleichzusetzen, zumindest erweckt er diesen Eindruck.

Resümee

Ein von Neid auf die besseren Ausgangschancen anderer Kinder zerfressener Artikel, der eine schlichte Gleichmacherei im Ergebnis will.

Was ich will, ist eine Schule, die es allen Kindern, egal welcher Herkunft, ermöglicht, ihr ganz eigenes Potential, sei es künstlerisch, naturwissenschaftlich oder was auch immer, zu entfalten.

Aber dies würde ja nicht die Gleichmacherei der linken Mainstreamler erlauben. Individualität und Eigenständigkeit ist für diese Ideologen wohl der größte Horror, den sie sich vorstellen können.

Ja, es ist schon ein seltsam Ding mit der Freiheit.