Der Westen und Russland (14.09.2014)

Russland hat die Krim heimgeholt, es hat militärisch in Georgien und der Ukraine interveniert. Es hat Enklaven wie Abchasien und Ossetien gebildet und versucht dies nun in der Ostukraine. Viele im Westen erklären dies mit einer aggressiven Politik der EU und der Nato gegenüber Russland.

So habe die Nato in den Jahren seit dem Untergang der Sowjetunion Russland eingekreist und dieses immer wieder gedemütigt. Russland schütze sich nur hiergegen. Es wird behauptet, es habe Zusagen gegeben, dass sich die Nato nicht ausdehne.

Schon die Vokabel „einkreisen“ zeigt wie falsch diese Aussage ist. Von Kasachstan bis China ist die Nato und der sonstige Westen nicht präsent.

Es gab auch keine Zusage, dass die Nato sich nicht erweitert. Es gibt keine Vereinbarung dazu, weder schriftlich noch mündlich. Und auch nicht zur einer Neutralität Mitteleuropas oder Deutschlands. Den Verbleib Deutschlands in der Nato stellte die damalige Sowjetunion nicht in Frage.

Die Frage stellte sich 1989/1990 bei den 2+4-Verhandlungen ohnehin nicht, da zu diesem Zeitpunkt der Warschauer Pakt noch existierte. Seine Auflösung erfolgte zum 01.07.1991. Es gab somit keinen Grund über die Zukunft von dessen Mitgliedsländern zu bestimmen.

Ohnehin mutet es grotesk an, dass die zukünftige Zugehörigkeit der Staaten vom Baltikum bis Bulgarien schon wieder hätte fremdbestimmt erfolgen sollen. Es war und ist deren ureigene Sache zu entscheiden, ob und ggf. welchem Bündnis sie angehören wollen.

Nun wird immer wieder Bezug genommen auf angebliche mündliche Zusicherungen von Herrn Baker, US-Außenminister, von Herrn Genscher (Außenminister) und Herrn Kohl (Bundeskanzler). Dies sind vage Interviewäußerungen, die in den Verhandlungen keinen Niederschlag gefunden haben.

Vielmehr gab es im November 1990 ein KSZE-Gipfeltreffen, die sog. Pariser Konferenz. Sie endete mit der Unterzeichnung der Charta von Paris. In diesem Abkommen geht es um die Schaffung einer neuen friedlichen Ordnung in Europa nach der Wiedervereinigung Deutschlands und dem Ende der Ost-West-Konfrontation. Darin enthalten sind der Verzicht auf Gewalt untereinander, die Unverletzlichkeit des jeweiligen Territoriums und das Recht jeden Staates seine Bündniszugehörigkeit frei wählen zu können.

Dass dann die Staaten Mitteleuropas von Polen bis Bulgarien (das Baltikum war noch Teil der Sowjetunion) umgehend in die Nato drängten war eher deren Angst vor ihrem östlichen Nachbarn geschuldet als den Sirenengesängen westlicher Länder.

Die USA wollten zunächst noch nicht mal eine Mitgliedschaft dieser Länder, sondern eine Partnerschaft für den Frieden, so etwas wie eine Mitgliedschaft zweiter Klasse. Die Nato ließ sich erst 1996 auf Gespräche über eine Erweiterung ein, weil sie insbesondere dem Druck eines Herrn Walesa oder eines Herrn Havel nichts mehr entgegenzusetzen hatte.

1999 traten dann zunächst Polen, Tschechien und Ungarn der Nato bei. 2004 kamen das Baltikum, die Slowakei, Slowenien sowie Rumänien und Bulgarien hinzu. 2009 traten schließlich Albanien und Kroatien bei. Deutschland verhinderte eine Annäherung der Ukraine und Georgiens in 2008.

Inzwischen hatte sich die Sowjetunion aufgelöst und Russland deren Nachfolge angetreten.

Deutschland stationierte keine Nato-Truppen auf dem früheren Gebiet der DDR. Die Bundeswehr wurde verkleinert, bis heute sind fast alle Panzer verkauft. Russlands heimkehrende Soldaten wurden unterstützt, deren Erinnerungsstätten werden gepflegt.

Herr Clinton, der damalige US-Präsident formulierte sogar eine Beitrittsperspektive gegenüber dem damaligen russischen Präsidenten, Herrn Jelzin. Herr Jelzin lehnte dies ab und sprach von einer neutralen Zone in Mitteleuropa, beaufsichtigt von den USA und Russland. Ganz so, als habe Russland die Sache mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker nicht verstanden. Und leider scheint dies bis heute so zu sein.

1997 kam es zur Nato-Russland-Akte, also noch vor den ersten Beitrittsgesprächen mit den Staaten Mitteleuropas. Mit dieser wurde der Nato-Russland-Rat gegründet. Russland bekam damit Sitz und Zutritt im Nato-Hauptquartier. Es richtete dort einen militärischen und diplomatischen Stab ein.

Die Nato sicherte dabei zu, dass weder Atomwaffen noch Truppen von mehr als einer Division (ca. 10.000 Menschen) pro Beitrittsland stationiert und keine Kommandozentralen in den beitretenden Ländern eingerichtet werden. Sie verzichtete sogar auf eine Notfall-Planung für die Ostgrenze. Auch die Planung für eine gemeinsame Raketenabwehr mit Russland wurde nicht weiter verfolgt, weil Russland darin eine Minderung seiner Abschreckungsfähigkeit sah.

In seiner ersten Amtszeit machte Herr Putin den Vorschlag für eine neue Sicherheitsarchitektur. Darin wollte er für Russland ein Vetorecht in der Nato, allerdings ohne eine Gegenleistung. Es war offensichtlich, dass es ihm nur darum ging die Staaten Europas von den USA zu trennen.

Nach dem 11.09.2001 verlor Herr Bush jun. das Interesse an Russland. Der Nato-Russland-Rat wurde nach der Invasion Russlands in Südossetien 2008 ausgesetzt. Und nun die Krim und die Ostukraine.

Wenn man sich diese Geschichte ansieht, mit all den Zugeständnissen an Russland, fällt die Mär von der Einkreisung und der Aggression gegen Russland schneller in sich zusammen als das berühmte Kartenhaus.

Vergegenwärtigen sollte man sich dann noch, dass Herr Putin im Jahre 2005 den Zerfall der Sowjetunion in einer Rede vor der Duma als die größte geopolitische Katastrophe des Jahrhunderts bezeichnete.

Im Jahre 2007 hätte man seiner Rede auf der Münchener Sicherheitskonferenz entnehmen können, dass es ihm ernst ist mit der Wiederherstellung der Herrlichkeit der Sowjetunion. Auch hat er dort bereits die Unwahrheit erzählt, dass versichert worden sei, dass keine Natotruppen östlich Deutschlands stationiert würden. Aber vielleicht hat er auch nur die Inhalte der geschlossenen Verträge nicht gekannt oder sie nur selektiv zur Kenntnis genommen.

Und bis heute handelt er nach dem Motto, ich gebe nur zu, was man mir nachweisen kann. Ob dies der Einsatz russischer Truppen auf der Krim oder der Ostukraine ist oder die Unterdrückung der Zivilgesellschaft. Ja, der ehemalige KGB-Agent will die alte Sowjetunion wiederhaben und dazu scheint ihm nahezu jedes Mittel recht zu sein.

Leider erkennen dies viele im Westen, auch in politischen Positionen, nicht. Gerade erst hat die EU das Freihandelsabkommen mit der Ukraine mit Rücksicht auf Russland um ein gutes Jahr verschoben.