Europäische Union, Fördergelder und Betrug (20.04.2014)

Pünktlich zu den Europawahlen gehen wieder Skandale um die Verschwendung oder gar das spurlose Verschwinden von Fördergeldern durch die Medien. Interessant auch, dass hier immer von Fördergeldern und nicht von Subventionen gesprochen wird.

Fördergelder hat eben einen positiven Touch, aber in Wirklichkeit sind auch sie nichts anderes als Subventionen, mit denen Geld von den Einen an die Anderen verteilt wird. Ach ja, sobald Fördergelder an Unternehmen gezahlt werden, heißen sie Beihilfen. Und hier entbrennt regelmäßig Streit, ob diese zulässig sind. Aber dies ist nicht das Thema dieses Artikels. Hier geht es darum, wie immer wieder große Teile der Förderung im Nirwana verschwinden.

Auffällig werden dabei alle Mitgliedsländer der Europäischen Union, einige Beispiele:

Die EU fördert im Rahmen der Europäischen Bildungspolitik Fortbildungsseminare. Erwischt wurden jetzt einige Betrüger in Spanien, die Kurse bezuschusst bekamen, die es nicht gab, die Teilnehmerlisten waren schlicht erfunden. Dies fiel erst auf, als der Chefbetrüger wegen anderer Delikte in Konflikt mit der Polizei kam

In Litauen sollte die Isolierung von Häusern gefördert werden, da die Ökobilanz des Landes wohl eher desaströs ist. Das zuständige Ministerium hatte jedoch die Idee Hubschrauber zu kaufen. Da die Umwidmung der Gelder dann doch auffiel, gibt es jetzt Geld für die Hubschrauber aus dem Programm zur Umweltüberwachung.

In Deutschland geht es z.B. um Betrug beim ebenfalls mit Mitteln der EU geförderten Yachthafen in Rostock.

In der Landwirtschaft gibt es Subventionen für die Pflege von Wiesen und Weiden, aber bei einer Nachschau sind diese oft steinige Brachflächen oder Wälder.

Nach Griechenland hat die EU eine eigene Task-Force geschickt, um bei der Verwendung der Mittel zu helfen. Die fand zunächst wohl nichts als Chaos vor. Aber anstatt zu prüfen, was mit den Geldern der zurückliegenden Jahre geschehen war, dürften erst mal alle so weitermachen wie bisher.

Wie kommt es dazu?

Oft werden die Projektanträge nicht genau kontrolliert, sondern lediglich darauf geachtet, dass die komplizierten Formulare korrekt ausgefüllt sind. Hier hat sich bereits eine ganze Beraterindustrie gebildet. Oft fließt ein Teil der Gelder bereits, bevor noch Rechnungen vorgelegt werden können.

Zum 31.03.2013 waren 81 Milliarden EURO für noch nicht abgerechnete Projekte verausgabt worden. In 20 % der Fälle war die Zahlung bereits mehr als 6 Jahre her, ohne dass eine Abrechnung vorlag.

Der Europäische Rechnungshof schätzt, dass der Schaden im Jahre 2012 ca. 7 Mrd. EURO betragen hat, dies wären ca. 5 % des EU-Haushaltes.

In der Förderung der Regionalpolitik sind 49 % der geprüften Projekte fehlerbehaftet, in der Landwirtschaft 2/3.

80 % der Korrekturen betrafen fünf Länder: Spanien, Italien, Griechenland, Polen und Rumänien.

Interessant ist, dass für die Kontrolle der Verwendung der Mittel die Mitgliedsländer zuständig sind und nicht die EU. Und die prüfen halt nicht so genau, es ist ja nicht ihr Geld, oder versuchen windige Konstruktionen um überhaupt an das Geld der EU zu kommen.

Der Haushaltskontrollausschuss des EU-Parlaments hat das Problem erkannt. Am 03.04.2014 erfolgte die Haushaltsentlastung durch das Parlament. Der Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusse, Herr Michael Theurer, hat sich dazu deutlich erklärt:

„Besonders in den Bereichen von Agrarpolitik und regionaler Entwicklung sind die Fehlerraten viel zu hoch. In Zeiten von Rezession, drastischer Sparmaßnahmen und knapper Kassen ist das eine skandalöse Schlamperei im Umgang mit Steuergeldern. Die Kommission muss unverzüglich umsteuern und ihre Zurückhaltung gegenüber den Mitgliedstaaten aufgeben.”

Hier gibt es aber bereits Widerstand beim Rechnungshof, der keine Prüfberichte über einzelne Länder vorlegt. Man will wohl niemand an einen Pranger stellen. So gibt es auch keine Konsequenzen, wenn einzelne Länder die Mittelverwendung nicht ordentlich prüfen.

Aber auch die Kommission, die sonst nicht genug selbst bestimmen kann, will von weiteren Kontroll- und Prüfrechten nichts wissen. In einer internen Stellungnahme gegenüber dem Parlament soll sie vielmehr gesagt haben, dass dies nur den Brüssel-Feinden weitere Munition bei den Europawahlen liefere.

Was für eine Groteske! Munition erhalten diese doch nur, wenn dermaßen geschlampt wird, wie oben beschrieben.

Die Kommission hat jedoch einen Vorschlag für eine Richtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Europäischen Union gerichteten Betrugs vorgelegt. Das Europäische Parlament hat dazu am 16.04.2014 eine Stellungnahme abgegeben. Diese befasst sich in großer Breite mit den Strafrahmen und mit der Definition von Betrug und Korruption. Sie spricht auch von der Schaffung eines Europäischen Strafjustizraums.

Leider befasst es sich nur in sehr knapper Weise mit der Zusammenarbeit zwischen der EU und den Mitgliedstaaten. Und es hält auch in diesem Zusammenhang vor allem fest, dass hier auch anzuerkennen sei, dass Eurojust in der künftigen Entwicklung der EU-Strafjustiz eine wichtige Rolle spielen müsse.

Kurz festzuhalten ist, dass Eurojust den Status einer EU-Agentur hat und grenzüberschreitende Strafverfahren auf europäischer Ebene koordiniert. Des Weiteren soll sie die Arbeit der nationalen Justizbehörden Europas im Bereich der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität im Allgemeinen koordinieren und den Informationsaustausch zwischen den nationalen Justiz- und Polizeibehörden fördern.

Das Parlament will somit durch die Hintertür die Bedeutung von Eurojust und somit des Strafrechts stärken.

Meines Erachtens kommt es jedoch nicht so sehr darauf an, den strafrechtlichen Ansatz zu stärken. Der kommt ja erst ins Spiel wenn das Kind bereits im Brunnen ertrunken ist, d.h. das Geld mittels Betrugs verschwunden ist.

Viel wichtiger wäre es die Mechanismen zu stärken, die für eine ordnungsgemäße Verwendung der Gelder sorgt:

– Überprüfung sämtlicher Förderprogramme auf Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit
– Vereinfachung der Antragstellung, bei den verbleibenden Programmen
– Eindeutige Nachweiskriterien für den Verbleib der ausgezahlten Fördergelder
– Prüfung durch den Europäischen Rechnungshof und Veröffentlichung von Länderberichten
– Rückforderung der fehlerhaft verwendeten Gelder und dies nicht nur auf dem Papier
– Einschaltung von OLAF

OLAF, ein Amt der Kommission, untersucht Fälle von Betrug zum Nachteil des EU-Haushalts, von Korruption sowie von schwerwiegendem Fehlverhalten innerhalb der EU und entwickelt eine Betrugsbekämpfungsstrategie für die Europäische Kommission.

Voraussetzung wäre hierzu wohl aber erst eine Reform von OLAF, das sich bisher in vielen Fällen nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat. Aber dies wäre wieder ein eigener Artikel, so dass ich nur auf meine Ausführungen zum Fall Dalli verweise.

Das Strafrecht darf nur das letzte Mittel sein, aber so wie es aussieht will die Kommission damit anfangen und somit lediglich Populismus betreiben.

Es ist mir klar, dass Vorschläge für gesetzliche Maßnahmen nur die Kommission machen kann und das Parlament diese Möglichkeit nicht hat. Trotzdem wünsche ich mir in solchen Fällen, dass das Parlament der Kommission mehr Gegenwind entgegenbringt statt sich mit Strafrahmen und der Erweiterung der Kompetenzen von Eurojust zu beschäftigen.

Denn mit diesem strafrechtlichen Ansatz wird das Pferd am Schwanz aufgezäumt. Richtig wäre es auf der Stufe davor für eine ordnungsgemäße Verwendung der Mittel zu sorgen.