Der Fall Dalli – Korruption oder Falle in Brüssel? (20.10.2013)

Vor einem Jahr ist der damalige EU-Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz, Herr John Dalli aus Malta, zurückgetreten, aber bis heute sind die Umstände und Hintergründe nicht geklärt.

Ausgangspunkt war eine Beschwerde des schwedischen Tabak- und Streichholzhersteller Swedish Match im Mai 2012 gegenüber der EU-Anti-Betrugsbehörde OLAF. Angeblich war ein maltesischer Unternehmer, Herr Zammit, bei der schwedischen Firma vorstellig geworden und hatte angeboten, dass er aufgrund seiner guten Kontakte zu Herrn Dalli, die EU-Gesetzgebung in ihrem Sinne beeinflussen könne, insbesondere das EU-weite Handelsverbot für schwedischen Snus, eine Tabaksorte, zu ändern. Swedish Match habe das Angebot ausgeschlagen und die EU-Kommission informiert.

OLAF stellte jedoch fest, dass es zu keinen Zahlungen zwischen der Firma aus Schweden und dem maltesischen Unternehmer gekommen war. Auch habe es keine Beweise für eine Beteiligung Herrn Dallis gegeben. Dieser könnte jedoch davon gewusst und geschwiegen haben. Sozusagen ein Anfangsverdacht für Korruption.

Dieser Bericht von OLAF wurde nie veröffentlicht.

Herr Dalli wies die Vorwürfe zurück, legte aber sein Amt nieder, „um in der Lage zu sein, seine Reputation sowie die der Kommission zu verteidigen“. Einen Tag danach erklärte er, er sei vom Präsidenten der Kommission, Herrn Barroso aus seinem Amt gedrängt worden. Inzwischen spricht er von einer Falle der Tabak-Lobby.

Man muss dazu wissen, dass Herr Dalli damals die inzwischen vom Europa-Parlament verabschiedete Tabakrichtlinie initiierte und damit den Interessen der Tabakindustrie massiv entgegenwirkte.

Der SPIEGEL berichtete am 26.11.2012, dass die Generalsekretärin der EU-Kommission, Frau Day, mehrmals persönlich dafür gesorgt habe, die Vorschläge von Herrn Dalli auszubremsen. Auch der Chef von OLAF, Herr Kessler, habe Bedenken gegen schärfere Auflagen für die Zigarettenindustrie geäußert.

Und Herr Kessler hat eine wichtige Zeugin und mögliche Beschuldigte gegen Herrn Dalli nach deren Vernehmung in Portugal zum Essen ausgeführt. Kein Dorfpolizist würde so etwas mit einer Belastungszeugin tun.

Es mehren sich darüber hinaus Hinweise über zweifelhafte Ermittlungsmethoden von OLAF, insbesondere bei der Aufzeichnung von Telefonaten.

Hinzu kommt, dass die EU-Kommission inzwischen eingeräumt hat, dass ihr juristischer Dienst während der Entstehung der Richtlinie zweimal einen Anwalt, Herrn Petite, von der Kanzlei Clifford-Chance empfing, die im Auftrag des Tabakproduzenten Philip Morris handelte. Dabei ist es üblich, dass der juristische Dienst keine Lobbyisten empfängt. Herr Petite, war früher Generalsekretär dieses juristischen Dienstes, ist inzwischen pensioniert und arbeitet nun für Clifford-Chance. Zudem ist Herr Petite seit 2009 in der Ethikkommission der EU.

Bedenklich ist hier schon, dass es zwar ein Lobbyregister bei der EU gibt, aber z.B. Clifford Chance dort nicht eingetragen ist. Aber gar nicht geht, dass der frühere Generalsekretär des juristischen Dienstes versucht Einfluss auf seine ehemaligen Kollegen zu nehmen und noch dazu außerhalb des üblichen Verfahrensweges.

Wenn man diese Informationen auf sich wirken lässt, fragt man sich schon was hier tatsächlich abgelaufen ist und es wäre dringend dies aufzuklären. Ich werde hier meinen Phantasien keinen freien Lauf geben, aber ich werde dies weiter beobachten und berichten.

Denn diese intransparenten Vorgänge bis hin in höchste Kreise sind der Freiheit des Bürgers nun mal abträglich. Und wenn einem Kommissar Korruption angelastet wird, dann sollte dies umfänglich und für die Öffentlichkeit nachvollziehbar erklärt werden.