Drohnen, Kollateralschäden und das Völkerrecht (27.10.2013)

Immer wieder hören wir in den Medien, dass wieder ein Terrorist durch den Einsatz einer Drohne, d.h. einem unbemannten bewaffneten Fluggerät, getötet und die Welt somit besser geworden sei. Im Regelfall sind es die USA, die Drohnen einsetzen, vor allem in Pakistan, dem Jemen und in Afghanistan.

In den letzten 10 Jahren sollen durch Einsätze von Drohnen 3.000 Menschen ums Leben gekommen sein. Dass dies auch Zivilisten und Kinder betroffen hat, sog. Kollateralschäden, wird nicht bestritten. Nachvollziehbare oder gar verlässliche Zahlen gibt es nicht.

Es werden gezielt bestimmte Personen angegriffen, die man glaubt als Terroristen identifiziert zu haben. Es gibt aber auch Fälle, in denen ein Angriff erfolgt aufgrund der Auswertung eines Bewegungs- und Verhaltensmusters, ohne dass sonstige Informationen über die Zielperson bekannt sind.

Zunächst muss man wissen, dass der Luftraum eines Staates verbotenes Gebiet für Militärflugzeuge anderer Länder ist. Dasselbe gilt für einen Waffeneinsatz jeglicher Art. Es sei denn der Staat habe diesem Einsatz zugestimmt oder toleriert ihn. Ob diese Voraussetzungen in den vorgenannten Staaten vorliegen lässt sich nicht feststellen. Pakistan z.B. hat sich öffentlich oft gegen diese Einsätze gewehrt. In letzter Zeit sind jedoch Dokumente aufgetaucht, die nahelegen, dass Pakistan insgeheim diesen Einsätzen doch zugestimmt hat. Zumindest ein Angriff im Jahre 2010 soll sogar auf Wunsch der pakistanischen Regierung erfolgt sein. Nun jedoch soll bei einem Treffen am 23.10.2013 mit Herrn Obama der pakistanische Regierungschef Herr Sharif eindeutig das Ende dieser Einsätze gefordert haben.

Aber ist es nun zulässig, dass Einzelpersonen ohne rechtsstaatliches Verfahren, d.h. ohne Ermittlungsverfahren, ohne Anklage, ohne Prozess und ohne Urteil mittels Drohnen getötet werden?

Die USA haben angeblich zahlreiche Kriterien für eine Entscheidung festgelegt, wobei am Ende immer der Präsident entscheidet, ob und wen eine Drohne angreifen und umbringen soll. Aber auch diese Kriterien sind nicht bekannt. Es gab lediglich Anfang dieses Jahres durch den US-Fernsehsender NBC die Veröffentlichung eines vertraulichen Papiers, nachdem bei der Tötung von US-Bürgern gewisse Regeln eingehalten werden sollen:

So soll eine gründliche Überprüfung ergeben, dass der Betroffene „eine unmittelbare Gefahr eines Anschlags auf die USA“ darstelle und eine Gefangennahme nicht möglich sei. Die USA scheinen dies aber sehr großzügig auszulegen. Demnach ist nicht erforderlich, dass konkrete Erkenntnisse über einen unmittelbar bevorstehenden Anschlag vorliegen. Es genüge vielmehr wenn festgestellt werde, dass ein Staatsbürger „in letzter Zeit“ in „Aktivitäten“ verwickelt war, die einen Anschlag vorbereiten könnten. Was darunter zu verstehen ist, wird nicht näher ausgeführt.

Eine Gefangennahme gilt bereits dann als nicht möglich, wenn deren Versuch ein „unangemessenes Risiko“ für die Sicherheitskräfte der USA darstelle. Hierüber sollen hohe Regierungsbeamte entscheiden.

Alles sehr vage und noch dazu nicht überprüfbar.

Amnesty International hat diese Woche einen Bericht veröffentlicht und kommt zu dem Schluss, dass die USA durch den Einsatz der Drohnen in Pakistan Völkerrecht gebrochen hätten. Bei einigen Einsätzen könnte es sich evtl. um Kriegsverbrechen gehandelt haben.

Amnesty kritisiert insbesondere, dass die von Herrn Obama im Mai angekündigten klareren Regeln und mehr Transparenz bis heute nicht umgesetzt sind. Und es wird kritisiert, dass Bündnispartner der USA, wie z.B. Deutschland Informationen für solche Einsätze liefern.

Die USA haben diese Vorwürfe zurückgewiesen. Die Einsätze seien vielmehr „präzise, rechtmäßig und effektiv“. Es werde mit äußerster Sorgfalt dafür Sorge getragen, dass man im gesetzlichen Rahmen handle. Es müsse nahezu ausgeschlossen sein, dass Unschuldige verletzt würden. Der mögliche Tod von Zivilisten bleibe eine „unbequeme Wahrheit“.

Und nun steht man als einfacher Bürger da und fragt sich, was soll ich glauben?

Nur, die Tötung von Menschen, ob schuldig des Terrorismus oder Kind, und somit von Natur aus unschuldig, ist keine Glaubensfrage.

Wer Menschen im Namen des Staates töten will muss die Gründe und die Beweise darlegen. Hier will ich nicht über asymmetrische Kriege, extrastaatliche Gewaltkonflikte oder welche Wortneufindungen noch im Gebrauch sind, diskutieren.

Festzuhalten aus völkerrechtlicher Sicht ist m.E., dass Angriffe verboten sind, bei denen damit zu rechnen ist, dass sie Verluste an Menschenleben unter der Zivilbevölkerung, die Verwundung von Zivilpersonen, die Beschädigung ziviler Objekte oder mehrere derartige Folgen zusammen verursachen, die in einem krassen Missverhältnis zum erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen, so in Artikel 51 des 1. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen.

Nach meiner Auffassung sind weiter die Menschenrechte zu beachten, auch wenn sie in bewaffneten Konflikten durch das humanitäre Völkerrecht ergänzt werden. Juristen streiten hierbei darüber, wie dies zu begründen sei. So sei erforderlich, dass der jeweilige Staat effektive Kontrolle ausüben könne. Nun fragt man sich, ob dies der Fall ist, wenn nur aus der Luft angegriffen wird, aber keine Bodentruppen vorhanden sind. Es gibt hier eine ziemliche komplizierte Argumentation, weshalb bei Drohnen diese effektive Kontrolle vorliegt.

Ich halte es für ziemlich verquer, dass man hierüber überhaupt diskutiert. Nach meiner Auffassung sind die Menschenrechte immer einzuhalten. Hierüber darf es keine Diskussion geben. Zumindest nicht für die rechtsstaatlich verfassten Gesellschaften, zu denen wir und die USA uns zählen.

Der Rechtsstaat darf sich nie und nimmer auf das Niveau von Terroristen und sonstigen Feinden begeben. Für ihn ist es viel mehr essentiell, dass er sich an seine eigenen Regeln hält und nicht beginnt diese aufzuweichen, wenn er sich mit Menschen auseinandersetzen muss, die ihn mit Gewalt bekämpfen wollen.

Deshalb ist die Tötung von Menschen, auch von Terroristen, in meinen Augen nicht zulässig, ohne dass ein rechtsstaatliches Verfahren vor einem Gericht vorausgeht. Der Staat muss vielmehr dafür Sorge tragen, dass solche Menschen vor ein Gericht gestellt werden und in einem rechtsstaatlichen Verfahren über ihre Strafe entschieden wird.

Lassen Sie mich noch anmerken, dass für mich ein solches Verfahren nicht mit der Todesstrafe enden darf, da diese eine unzivilisierte Handlung darstellt.

Und lassen Sie mich weiter anmerken, dass es natürlich inakzeptabel ist, dass Europa hier die USA die öffentliche Drecksarbeit machen lassen, aber hinter den Kulissen tatkräftig mit Informationen helfen.