Informationsfreiheit gegen Urheberrecht (26.01.2014)

Ein wunderschönes Beispiel wie versucht wird eine gesetzliche Freiheitsregelung ad absurdum zu führen.

Vorgeschichte

Das Bundesverfassungsgericht urteilte im November 2011, dass die Hürde von 5 % zum Einzug in das Europaparlament bei den Europawahlen verfassungswidrig ist. Die Entscheidung erging mehrheitlich, es gab ein Minderheitsvotum zweier Richter, und es ließ sich ihr entnehmen, dass das Gericht wohl auch keine sonstige Sperrklausel tolerieren würde, zumindest nicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Der Bundestag beschloss im Juni 2013 trotzdem eine Hürde von 3 % für den Einzug in das Europaparlament. Hiergegen läuft ebenfalls eine Klage beim Bundesverfassungsgericht, die am 18.12.1013 verhandelt wurde. Das Urteil soll rechtzeitig vor der Europawahl am 25.05.2014 ergehen.

Im Innenministerium hat man in Reaktion auf das Urteil Gedankenspiele durchgeführt, wie es denn mit einer niedrigeren Sperrklausel, konkret einer solchen von 2,5 % sei, ob deren Einführung möglich wäre. Die Fachleute des Ministeriums kamen zu dem Ergebnis, dass dies verfassungsrechtlich zumindest bedenklich ist und voraussichtlich in Karlsruhe ebenfalls gekippt würde.

Sachverhalt

Diese gutachterliche Stellungnahme wurde auf der Webseite fragdenstaat.de veröffentlicht. Diese Webseite wird betrieben vom Verein Open Knowledge Foundation Deutschland.

Die Herausgabe dieser gutachterlichen Stellungnahme erfolgte aufgrund des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG). Das BMI führte dazu aus, dass der Vermerk lediglich zu privater Kenntnisnahme, jedoch nicht zu Veröffentlichungszwecken nach dem IFG herausgegeben werde. Es handle sich nicht um ein amtliches Werk i.S. des § 5 Abs. 2 Urheberrechtsgesetz.

Nun hat das Innenministerium diese Veröffentlichung durch eine Anwaltskanzlei abmahnen lassen. Auch dieses Schreiben ist auf der oben genannten Webseite veröffentlicht worden.

Die Anwaltskanzlei erklärt, dass es sich zweifelsfrei um ein nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Werk handele. Der nach dem Informationsfreiheitsgesetz gewährte Informationszugang enthalte keine Berechtigung, das Dokument zu verbreiten. Die Frage, inwieweit das Dokument verwendet werden dürfe, richte sich – wie bei jedem anderen urheberrechtlich geschützten Schriftstück – allein nach dem Maßstab des Urheberrechts.

Bewertung

Ich weiß nun nicht, ob ich über diese Ausführungen weinen oder lachen soll.

Jedenfalls gehen sie meilenweit an Sinn und Zweck des IFG vorbei und sind m.E. schlicht falsch. Mit dieser Begründung könnte jede Behörde, die nach dem IFG verpflichtet ist, Dokumente freizugeben deren Herausgabe verweigern. Besonders witzig ist dies unter Bezugnahme auf den bereits oben vom Ministerium in Bezug genommen § 5 des Urheberrechtsgesetzes. Dieser bestimmt, dass amtliche Werke dann keinen Urheberrechtsschutz genießen, wenn diese im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht worden sind.

Verbreitet werden darf also, was bereits veröffentlicht und damit voraussichtlich auch bereits verbreitet wurde. Ich glaube man nennt so etwas einen Zirkelschluss, oder ich könnte auch sagen, da beißt sich die Katze in den Schwanz.

Dabei enthält das IFG bereits einen breiten Katalog an Tatbeständen, der eine Herausgabe nicht erlaubt. Aber offensichtlich konnte das Ministerium keinen dieser Tatbestände für sich verwenden.

Nach § 2 IFG ist amtliche Information jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu.

Offensichtlich hat das Ministerium die Stellungnahme als eine solche gesehen, sonst hätte sie diese ja nicht nach dem IFG herausgegeben. Dass dies so war hat auch die abmahnende Anwaltskanzlei ausdrücklich bestätigt.

Die §§ 3- 6 des IFG regeln, wann ein Anspruch auf die Information nicht besteht. In Frage kommt hier allenfalls § 6 IFG, der bestimmt, dass der Anspruch auf Informationszugang nicht besteht, soweit der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht.

Wenn dem so wäre, so hätte das Ministerium demnach die Stellungnahme gar nicht herausgeben dürfen. Mit der Herausgabe erklärt es aber eindeutig, dass dem der Schutz geistigen Eigentums nicht entgegensteht. Wenn es sich gleichzeitig auf das Urheberrechtsgesetz beruft, so nennt man dies ein widersprüchliches Verhalten.

Interessant wird an dieser Stelle auch § 1 IFG, der bestimmt, dass jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen hat. Das Wort „jeder“ enthält die Befugnis die Informationen, die nach dem IFG erteilt wurden, zu verbreiten. Es gibt keine Bestimmung im IFG, der entnommen werden könnte, dass die Information exklusiv für einzelne Personen erteilt wird.

Und damit ist, wie der Jurist sagt, das IFG lex specialis und geht dem Urheberrechtsgesetz vor. Dies gilt schon deshalb, weil § 6 IFG die Verweigerung der Information wegen des Schutzes geistigen Eigentums gesondert regelt. Damit hat der Gesetzgeber klargestellt, dass sonstige Regelungen, wie z.B. nach dem Urheberrechtsgesetz dem nicht entgegen stehen können.

In meinen Augen kommt es deshalb auf die im Moment vielfach diskutierte Frage, ob so eine Stellungnahme überhaupt Urheberrechtsschutz genießt gar nicht an. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, so hätte das Ministerium mit der Herausgabe hierauf zum einen verzichtet.

Auf seine Einschränkung bei der Überlassung kann es sich zum anderen nicht berufen, weil dies ein widersprüchliches Verhalten ist und gegen den Vorrang des IFG verstößt. Dass dies, wie andere im Netz bloggen auch einen Rechtsmissbrauch darstellt, ist m.E. eindeutig.

Das Ganze ist vielmehr der Versuch zu verhindern, dass öffentlich wird, dass das Ministerium selbst intern die Rechtslage anders beurteilt, als diese schließlich in Gesetzesform gegossen wurde, und dass der Bundestag über diese Rechtsauffassung wohl nicht informiert wurde.

Es ist wieder ein Versuch behördliches Handeln in den Hinterzimmern auszukungeln statt offen auf dem Markt für die eigene Auffassung zu werben.