Informationsfreiheit und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (01.12.2013)

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrecht (EGMR) hat in einer weiteren Entscheidung vom 28.11.2013 das Informationsrecht gegenüber staatlichen Institutionen gestärkt.

Den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg gibt es seit 1959. Er wacht über die Europäische Konvention für Menschenrechte, die am 04.11.1950 vom 1949 gegründeten Europarat verabschiedet wurde. Der Europarat ist nicht zu verwechseln mit der Europäischen Union und der Gerichtshof für Menschenrechte nicht mit dem Europäischen Gerichtshof der Europäischen Union in Luxemburg. Dem Europarat gehören 47 Staaten an. Für alle gilt die Europäische Konvention für Menschenrechte.

Der EGMR entscheidet über Individual- und Staatenbeschwerden, in denen eine Verletzung der in der Europäischen Menschenrechtskonvention niedergelegten bürgerlichen und politischen Rechte gerügt wird. Seit 1998 ist der Gerichtshof ein ständig tagendes Gericht, an das sich Einzelpersonen direkt wenden können. Der EGMR hat bisher weit mehr als 10.000 Urteile erlassen. Diese sind für die Vertragsstaaten verbindlich und führten in vielen Bereichen zu Änderungen innerstaatlicher Gesetze und der Verwaltungspraxis.

Bereits am 14.04.2009 entschied der EGMR, dass staatliche Stellen, die über Informationen verfügen, die für eine öffentliche Debatte erforderlich sind, von diesen bereitgestellt werden müssen. Die Ablehnung ist demnach ein Verstoß gegen Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), der das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit beinhaltet.

Der EGMR sprach damals von einer „Zensurmacht eines Informationsmonopols“, wenn staatliche Stellen Informationen nicht herausgeben, die von Medien oder Organisationen der Zivilgesellschaft benötigt werden, damit diese ihre „Wächterfunktion“ wahrnehmen können. Er verwies auf seine ständige Rechtsprechung, dass die Öffentlichkeit ein Recht darauf habe, Informationen von allgemeinem Interesse zu bekommen. Er betont weiter, dass ein Gesetz keine willkürlichen Einschränkungen erlauben darf, welche zu einer Form indirekter Zensur werden können.

Auch sei die Funktion der Presse einschließlich der Schaffung eines Forums für öffentliche Diskussionen nicht auf Medien oder Berufsjournalisten beschränkt. Der EGMR anerkannte somit die Rolle der Zivilgesellschaft bei der Erörterung öffentlicher Angelegenheiten und stufte die den Antrag stellende Vereinigung, die sich in Menschenrechtsprozessen engagiert, als gesellschaftlichen „Wächter“ ein. Danach sei der Antragstellerin der gleiche Schutz wie der Presse zu gewähren. Dies war ein enormer Fortschritt für Nichtregierungsorganisationen.

Wesentlich ist jedoch, dass in jenem Fall die geforderte Information vollständig vorlag und keine gesonderte Datenerhebung erforderlich machte.

Der jetzt entschiedene Fall unterscheidet sich gerade in diesem Punkt.

Es geht in der neuen Entscheidung um einen österreichischen Verband, der Entscheidungen einer staatlichen Kommission einsehen wollte, die sich mit der Genehmigung land- und forstwirtschaftlicher Immobilienverkäufen befasst. Diese wurde verweigert und alle Gerichtsinstanzen bis hin zum österreichischen Verfassungsgerichtshof lehnten einen Anspruch auf Mitteilung dieser Informationen ab.

Es handelt sich somit um unzählige Entscheidungen, die zusammengestellt und deren persönliche Daten geschwärzt werden müssen. Die entscheidende Kammer des EGMR ist jedoch der Ansicht, dass die Behörde dazu verpflichtet ist und sie verbindet dies mit einem interessanten Argument: Wären die Daten gleich veröffentlicht worden, dann würde es jetzt keine Mühe machen, sie zusammen zu stellen (Ziff. 46 der Entscheidung).

Gerade dieses Argument gefällt mir sehr gut, da man in der Praxis genau dies von den Behörden immer wieder hört. Sie behaupten oft, dass es viel zu aufwändig sei die Informationen zu suchen, aufzubereiten und um persönliche Daten zu schwärzen. Zur Not werden dann immense Kosten in Rechnung gestellt. Dies dürfte mit dieser Entscheidung vorbei sein. Sie wird erhebliche Konsequenzen für die Handhabung auch der verschiedenen Informationsfreiheitsgesetze von Bund und Ländern in Deutschland haben.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Sie wurde von einer Kammer des EGMR getroffen. Hiergegen kann noch ein Rechtsmittel an die Große Kammer des EGMR eingelegt werden. Ich werde dies beobachten.