Saatgut und die Folgen (02.06.2013)

Anfang Mai ging durch die Medien und viele Internetseiten, dass die Europäische Union (EU) die Artenvielfalt auf Äckern und in Gärten beschränken wolle. Die EU wolle den Anbau von Obst und Gemüse sogar in privaten Gärten regulieren.

Um was geht es konkret? Beschäftigen wir uns zunächst mit der momentanen Situation:

In der EU darf nur Saatgut zugelassener Pflanzensorten gehandelt werden. Die Zulassung erfolgt, wenn eine Sorte in der Gesamtheit ihrer wertbestimmenden Eigenschaften gegenüber den zugelassenen Sorten eine deutliche Verbesserung für den Pflanzenanbau oder die Verwertung der Erzeugnisse erwarten lässt. Saatgut zugelassener Sorten darf nur in den Verkehr gebracht werden, wenn es durch eine Länderdienststelle amtlich anerkannt („zertifiziert“) wurde.

Allerdings sieht eine andere Richtlinie der EU bestimmte Ausnahmen von dieser Regelung der Zulassung vor, die „Erhaltungssorten“ und „für den Anbau unter besonderen Bedingungen gezüchtete Sorten“ betreffen. Diese sog. „alten Sorten“ können nämlich unter bestimmten Voraussetzungen auch dann angebaut und in den Verkehr gebracht werden, wenn sie die allgemeinen Anforderungen für die Zulassung zu den amtlichen Katalogen nicht erfüllen.

In einer Entscheidung vom 12.07.2012 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) diese Regelungen für gültig erachtet.

Was ist neu:

Die Kommission hat nun einen Vorschlag für eine Neuregelung gemacht, die für viel Aufruhr sorgte. Aber was ist daran konkret anders?

Es sei vorausgeschickt, dass die Medien es vor allem daran mangeln ließen diese Unterschiede zu beschreiben bzw. falsche Dinge behaupteten und schon gar nicht den Text des Vorschlags bekannt machten. Auch gibt es zahllose Seiten im Internet, die mit markigen Worten fordern, Appelle gegen die Neuregelung zu unterzeichnen, ohne den Text der Neuregelung zur Kenntnis zu bringen.

Dass es für sog. alte Sorten keine Verschlechterungen gibt, hätte man auf den Seiten 9 und 10 des Vorschlages der Kommission nachlesen können. Die Kommission selbst hatte dies auch vorab bereits klargestellt gehabt:

„Die EU-Kommission weist Medienberichte über Regulierungspläne für den Obst- und Gemüseanbau in Hobbygärten zurück. Privatgärtner können auch in Zukunft ihr Saatgut wie bisher verwenden. Sie sind von den neuen Regelungen zur Tier- und Pflanzengesundheit, die die Kommission Anfang Mai vorstellen wird, – entgegen anderslautenden Meldungen – nicht betroffen.

Die neuen Regeln gelten für ausschließlich professionelle Akteure, wie beispielsweise Landwirte oder Gartenbaubetriebe, die pflanzliches Saatgut erzeugen.

Für Kleinstunternehmen jedoch wird es Ausnahmen geben, um für sie die administrativen Hürden und Kosten zu minimieren. Die Anforderungen an sie bezüglich Kennzeichnung und Verpackung werden gering sein.

Auch für alte Sorten sollen schwächere Regeln gelten. Aus Transparenzgründen muss dieses Saatgut zwar auch registriert werden, allerdings in einfacher Form und auf der Grundlage von historischen Daten und praktischer Erfahrung. Tests sind nicht vorgesehen.“

Der Alarmismus, der dazu führte, dass die Diskussion nur noch über Hobbygärtner geführt wurde, ist natürlich gut für diejenigen, die Vorteile aus dem komplizierten und teuren Registrierungsverfahren ziehen.

Diese Diskussion wird jedoch kaum geführt. Es wird auch nicht darüber diskutiert, dass die großen Agrokonzerne oft nur noch Hybridmaterial verkaufen, das nicht mehr vermehrungsfähig ist, dass die Bauern jedes Jahr neues Saatgut kaufen müssen statt das alte zu vermehren.

Ich finde es auch beschämend, dass die großen Umweltverbände, diese Diskussion nicht führen, dass sie die jahrelange Diskussion bei der EU nicht öffentlichkeitswirksam begleiteten.

So fand laut dem Vorschlag der Kommission im Jahre 2011 eine Online-Befragung statt. Die großen Umweltverbände hatten also die Chance die Öffentlichkeit aufzurütteln, sie haben es nicht getan.

Und dies ist, was mich immer wieder ärgert. Die Dinge werden erst dann, dafür aber alarmistisch, an die Öffentlichkeit gebracht, wenn sie weitgehend feststehen. Auch unsere Nichtregierungsorganisationen folgen diesem Schauspiel.

Es ist doch kaum zu glauben, dass über die Privatgärten diskutiert wird, während die problematischen Regelungen für Bauern und kleine Züchter allenfalls in Fußnoten vorkommen. Dies gilt umso mehr, als die Ernährung bekanntlich Einfluss auf die Gesundheit der Menschen hat.

Und es gilt umso mehr, als die Beschränkungen im Handel mit Saatgut die Freiheit der Bauern und Züchter einschränken. Und natürlich die Freiheit der Menschen, das zu essen, was sie essen möchten.

Die Regelungen schießen eindeutig über das Ziel hinaus, das Ziel sichere Nahrung für die Menschen zu erzeugen. Wobei dies schon mit vielen Fragen verbunden ist, z.B. ob es nur Nahrung sein darf, die nicht krank macht oder ob bereits Nahrung zu verbieten ist, die evtl. zu Krankheiten führen kann, wenn man ihr im Übermaß zuspricht. Kein Ziel kann es aber in meinen Augen sein, nur Saatgut zuzulassen, dass besonders resistent gegen Krankheiten und Schädlinge ist. Dies muss jeder selbst entscheiden, ob er so etwas anbauen will oder nicht.

Schauen wir was nun aus dem Vorschlag der Kommission wird. Ich werde am Ball bleiben und hier berichten.
Quellen:

Medien
http://www.stern.de/wirtschaft/news/eu-saatgutverordnung-aufruhr-im-gemuesegarten-2001975.html

http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/saatgutverordnung-der-eu-tiefschlag-fuer-hobbygaertner-1.1666512

Pressemitteilung EuGH, Urteil vom 12.07.2012:
http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2012-07/cp120097de.pdf

EU-Saatgutrecht:
http://www.bmelv.de/SharedDocs/Standardartikel/Landwirtschaft/Pflanze/Acker-Pflanzenbau/EU-Saatgutrecht.html

Klarstellung EU-Kommission 24.04.2013:
http://ec.europa.eu/deutschland/press/pr_releases/11327_de.htm

Vorschlag EU-Kommission 06.05.2013:
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2013:0262:FIN:DE:PDF