Direkte Demokratie – Erste Gedanken (26.07.2011)

Deutschland ist eine repräsentative Demokratie, ohne direkte Abstimmung durch die Bürger auf Bundesebene, außer bei einer evtl. Neugliederung der Bundesländer. In den Bundesländern und auf kommunaler Ebene ist dies aber durchaus vorgesehen.

Nach Artikel 20 Grundgesetz (GG) übt das Volk die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen aus. Zu weiteren Regelungen konnte sich der Parlamentarische Rat, der das GG entwarf, nicht durchringen. Dies war damals, 1949, natürlich auch von den Erfahrungen der Weimarer Republik geprägt, so zumindest die allgemeine Argumentation, die bei näherem Hinsehen zweifelhaft erscheint. Aber diese historische Debatte ist nicht mein Anliegen.

Denn wir sind gut 60 Jahre, d.h. ca. zwei Generationen weiter. Es wird Zeit sich Gedanken darüber zu machen, ob man die Möglichkeiten der Bürger, direkt Entscheidungen zu treffen, nicht ausweiten sollte. Es gibt viele gute Argumente dafür und dagegen.

Es werden dafür Argumente ins Feld geführt, wie der „Blankoscheck Wahl“ alle 4 oder 5 Jahre reiche nicht aus, der Bürgerentscheid sei ein Motor für Reformen, es gebe keine Politik gegen den Bürgerwillen, die Politik würde verantwortungsvoller, die Bürger besser informiert, es gebe weniger Selbstbedienung von Politikern, der Wettbewerb führe zu besseren Ergebnissen, mit Volksabstimmungen würde der Bundestag gestärkt, Resignation und politischer Gewalt der Boden entzogen und die Akzeptanz politischer Entscheidungen erhöht.

Es gibt auch Argumente dagegen, die Bürger seien nicht hinreichend informiert für Entscheidungen solcher Tragweite, sie seien leicht manipulierbar, Minderheiten könnten der Mehrheit ihren Willen aufzwingen, aber auch umgekehrt könnten Minderheiten von der Mehrheit diskriminiert werden, direkte Demokratie sei langsam und teuer, die Verantwortlichkeiten würden verwischt.

Diese Argumente mögen mehr oder weniger tragfähig sein und müssten im Einzelnen hinterfragt werden.

M.E. ist jedoch davon auszugehen, dass wir eine freiheitliche Verfassung haben und uns einen mündigen Bürger wünschen, der frei und eigenverantwortlich Entscheidungen trifft. Dafür ist es nicht ausreichend alle paar Jahre zur Wahl zu gehen und Repräsentanten zu wählen, denn zwischen den Wahltagen werden nun mal für den Bürger wichtige Fragen entschieden, die vielleicht am Wahltag noch gar nicht absehbar waren. In einem freiheitlichen Staat mit mündigen Bürgern darf die Wahl für die Bürger ohne Verbandsmacht oder ohne wirtschaftliche Macht nicht darauf hinauslaufen für die gesamte Wahlperiode ohne Einfluss zu sein.

Dies ist genügend, um festzustellen, dass die Menschen in diesem Land mehr Möglichkeiten bekommen müssen, um mitzubestimmen.

Dass das Regieren dann vielleicht weniger kommod ist, ist kein Beinbruch. Es mögen sich aber viele Befürworter auch keinen Illusionen hingeben, dass bei Bürgerentscheiden immer ein besseres Ergebnis herauskommt.

Die Frage ist, wie kann es in der Praxis gehen. Es ist zu klären, wie kann ein Volksentscheid initiiert werden, wie ist abzustimmen, welche Mehrheiten oder Quoren sind erforderlich, darf über alles abgestimmt werden, soll das Bundesverfassungsgericht eine Prüfbefugnis haben.

Es stellt sich im übrigen ja nicht nur die Frage der direkten Demokratie zu den großen Problemen, sondern bereits im kleinen, z.B. bei Entscheidungsfindungen in einer Partei. Hier ist ja immer von Hinterzimmerpolitik die Rede. Auf der anderen Seite versucht die Piratenpartei weitgehend eine Basisdemokratie umzusetzen, was aber auch zu Problemen führt. In diesem kleiner Rahmen stellt sich in meinen Augen vor allem die Frage von Zufallsmehrheiten, was bei den Volksentscheiden eher nicht der Fall sein dürfte.
Aber auch dieser Punkt ist diskussionswürdig.

Ich werde in nächster Zeit mich mit allen aufgeworfenen Fragen in diesem Blog beschäftigen.