Marktwirtschaft und Freiheit 1 (17.01.2012)

Immobilienkrise, Finanzkrise, Staatsschulden, soziale Ungleichheit, selbst die FAZ lobhudelt der Linken. Ist der Kapitalismus tot?

Doch halt, was ist das, der Kapitalismus? Die zentralen Merkmale sind umstritten. Allgemein begreift man Kapitalismus jedoch als eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, die vor allem auf Privateigentum an den Produktionsmitteln und einer Steuerung von Produktion und Konsum über den Markt beruht.

Nicht umstritten ist das Privateigentum. Umso strittiger ist jedoch der Markt, d.h. die Marktwirtschaft. Viele setzen den Kapitalismus ohnehin mit Marktwirtschaft gleich.
Doch was ist das, Marktwirtschaft? Die einen reden von freier Marktwirtschaft, andere von sozialer Marktwirtschaft, im früheren Jugoslawien oder im heutigen China gab und gibt es sogar den Begriff der sozialistischen Marktwirtschaft.

Die Marktwirtschaft wie wir sie kennen ist ein System, welches die Entscheidungs- und Handlungsfreiheit der wirtschaftlich handelnden Personen voraussetzt. Daher wird die Marktwirtschaft von vielen schlicht freie Marktwirtschaft genannt. Danach soll allein durch den Markt bestimmt werden, was produziert und konsumiert wird, in welcher Menge und zu welchem Preis.

Andere verwenden den Begriff Soziale Marktwirtschaft. Dessen Bedeutungen reichen vom geschlossenen ordnungspolitischen Konzept über den Charakter einer Kompromissformel, unter der sich unterschiedlichste Dinge fassen lassen, bis zur Bewertung als Leerformel ohne eigene Bedeutung.

Ich möchte dies etwas weniger theoretisch angehen.

Kann es überhaupt einen freien Markt geben? Dies wäre doch nur dann der Fall, wenn jeder die gleichen Möglichkeiten und Ressourcen hätte. Aber die Marktteilnehmer sind nun mal unterschiedlich, so dass diese vorgegebenen Ungleichheiten auch zu Ungleichheiten bei den Chancen führen.

Also muss man etwas nachhelfen, damit Chancengleichheit besteht. Und ich meine die Gleichheit der Chancen, nicht Gleichheit im Ergebnis. Was jemand aus seinen Chancen macht, ist seine Sache. Dies beinhaltet das Begriffspaar Freiheit und Verantwortung.

In den letzten 20 Jahren ist leider außer Acht geraten, dass eine Marktwirtschaft, soll sie nicht zum Recht des Stärkeren verkommen, Regeln benötigt, die überwacht werden müssen.
Und es geriet in Vergessenheit, dass Finanzmärkte eine dienende Rolle haben, und Spiel und Wette in die Spielbank gehören. Nichts dagegen, dass jemand sein Geld mit Wetten durchbringt, aber er soll damit nicht hart arbeitende Menschen mitreißen dürfen.

Und dann gibt es die Ratingagenturen, deren Worte Gesetz wurden. Und dies im wahrsten Sinne des Wortes. Im Februar 1936 ordnete die US-Bankenaufsicht an, dass die Banken nur noch Emissionen und Forderungen mit einem Mindest-Rating übernehmen durften. Im Juli 1975 setzte die US-Börsenaufsicht fest, dass die Rating-Agenturen die einzigen sein sollten, die die Unternehmen bewerten dürfen ehe sie für den amerikanischen Kapitalmarkt zugelassen werden.

Auch andere Länder integrierten Ratings immer mehr in die Regulierung zur Banken- und Finanzaufsicht. Insbesondere aber wurden diese Ratings von Gesetzes wegen vorgeschrieben.

So sieht Basel II (Gesamtheit der Eigenkapitalvorschriften, die vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht vorgeschlagen wurden) vor, dass Ratings für die Bewertung von Kreditrisiken von den Ratingagenturen zu beziehen sind.

Die Umsetzung erfolgt über EU-rechtliche Vorgaben wie z.B. der Richtlinie 2006/48/EG (Bankenrichtlinie) vom 14. Juni 2006, die Umsetzung in Deutschland erfolgte durch ein Gesetz vom 17. November 2006 geregelt, das umfassende Anpassungen des Kreditwesengesetzes festschrieb.

Diese gesetzlichen Regelungen werden ergänzt durch zwei Verordnungen, die neue Solvabilitätsverordnung (SolvV), sowie die Groß- und Millionenkreditverordnung (GroMiKV). So greift in Deutschland die Solvabilitätsverordnung seit Januar 2007 auf Ratings zurück.
So dürfen z.B. Lebensversicherer die Gelder ihrer Kunden nur in Papieren anlegen, die ein bestimmtes Rating haben.

Obwohl die Ratingagenturen ihre Einstufungen selbst nur als Meinungsäußerung bezeichnen, erhalten diese Einstufungen Gesetzeskraft. Die Ratingagenturen tun dies übrigens um Haftungsfolgen für fehlerhafte Ratings zu vermeiden. Sie sagen also ja zur Freiheit, aber nein zur Verantwortung für das was sie tun.

Nichts dagegen, dass Ratingagenturen ihre Meinung zu Firmen oder Staaten äußern. Es darf aber keine Gesetze geben, die diesen Meinungsäußerungen zwingend wirtschaftliche Folgen geben. Dies enthebt nebenbei gesagt, auch diverse wirtschaftliche Akteure ihrer Verantwortung für das Geld ihrer Kunden. Sie folgen als Herde den Meinungsäußerungen der Ratingagenturen.

Weiter muss es Regeln geben, die verhindern, dass sog. systemrelevante Gebilde entstehen, die man nicht mehr insolvent gehen lassen darf, sondern, wie die Banken, retten muss, um größere Schäden zu verhindern.

Und dann gibt es jene politischen Akteure, die all dieses in die Wege leiteten, aber heute über den angeblichen Neoliberalismus jammern.

All diese Punkte will ich in der Zukunft hier immer mal wieder thematisieren, da die Wirtschaftsverfassung unseres Landes ein zentraler Punkt für die Freiheit jedes einzelnen Bürgers ist. Und es geht nicht um die Freiheit von Finanzjongleuren.